Leitsatz (amtlich)
Die Erteilung einer Vollmacht, mit der der Mitarbeiter eines Versteigerungshauses bevollmächtigt wird, für den Auftraggeber bei der Versteigerung eines bestimmten Grundstücks mitzubieten, bedarf nicht der notariellen Beurkundung, wenn diese unwiderruflich ist und bis zum Versteigerungstermin ein gewisser Zeitraum verbleibt, binnen dessen der Auftraggeber die Vollmacht widerrufen kann. Dies gilt auch dann, wenn der Bevollmächtigte von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.
Normenkette
BGB §§ 156, 167 Abs. 2, §§ 181, 311b
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.03.2012; Aktenzeichen 2-05 O 161/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 16.3.2012 verkündete Urteil des LG Frankfurt, 5. Zivilkammer, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.1.2011 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 287,98 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens werden niedergeschlagen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Das klagende Land (im Folgenden: der Kläger) nimmt die Beklagte, eine GmbH, die sich u.a. mit Abbrucharbeiten und Handel mit Waren aller Art beschäftigt, i.H.v. 6.287,98 EUR auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines bei einer Versteigerung geschlossenen Grundstückskaufvertrages in Anspruch. Die Beklagte hat die Erfüllung des Vertrages verweigert, weil sie arglistig über Mängel des Grundstücks getäuscht worden sei.
Vor dem Versteigerungstermin, der in Stadt1 stattfand, hatte die in Stadt2 ansässige Beklagte der beauftragten Auktionatorin, der A KG, einen Auftrag zum Bieten für das in Stadt2 gelegene Grundstück mit einer Vollmacht erteilt ("Telefongebot") wegen deren näheren Inhalt auf die Anlage K 3 verwiesen wird. Das Zustandekommen des Kaufs wurde im Anschluss an den Zuschlage für die Beklagte am selben Tag von einem Notar beurkundet (Anlage K 4).
Wegen des übrigen erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat nach Beweisaufnahme über die Behauptung, das Grundstück sei durch ausgetretenes Öl, asbesthaltige Stoffe und Teer kontaminiert, die Klage abgewiesen, dies jedoch damit begründet, dass ein Kaufvertrag nicht wirksam zustande gekommen sei.
Der Vertrag sei nämlich nicht in der Form des § 311b BGB abgeschlossen worden, weil auch die Vollmacht (für den für den Beklagten handelnden Vertreter) trotz der Regelung in § 167 Abs. 2 BGB der notariellen Form bedurft habe. Mit der Vollmacht sei eine tatsächliche Bindung des Vollmachtgebers zum Grundstückserwerb begründet worden. Denn die Mitarbeiter des Aktionshauses seien von der Beschränkung des § 181 BGB befreit gewesen und hätten die unmittelbare Möglichkeit zum sofortigen Vertragsschluss nach der Auktion gehabt. Die Möglichkeit des Widerrufs sei angesichts der Chronologie der Ereignisse nur theoretischer Natur gewesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Klage in vollem Umfang weiterverfolgt und zugleich dem Aktionshaus A den Streit verkündet hat. Die Streitverkündete ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten. Hilfsweise beantragt der Kläger die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG.
Der Kläger rügt zunächst, dass es sich bei dem Urteil des LG um eine Überraschungsentscheidung handele. Das LG habe zunächst dargelegt, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die arglistige Täuschung ankomme und entsprechend Beweis erhoben. Erstmals im Urteil sei die Klageabweisung auf die Formbedürftigkeit der Vollmacht gestützt worden.
Der Kläger legt dar, dass er, wenn er vom LG auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen worden wäre, Folgendes näher zum Geschehensablauf am Auktionstag vorgetragen hätte: Der Geschäftsführer der Beklagten sei vor Beginn der Versteigerung von der Zeugin Z1 auf dem von ihm angegebenen Handy angerufen worden und er habe über dieses den im Saal verlesenen Auslobungstext hören können. Die Zeugin Z1 habe ihn dann um Gebote gebeten, die sie alsdann bei der Auktion weitergegeben habe bis zum Zuschlag, den der Geschäftsführer der Beklagten gleichfalls telefonisch gehört habe. Der Bieter habe also während der Auktion durch unmittelbares Eingreifen oder ein Abstandnehmen von weiteren Geboten Einfluss auf den Kauf nehmen können. Er nehme sozusagen fernmündlich an der Auktion teil. Ein Widerruf der Vollmacht sei auch in dem Zeitraum zwischen Zuschlag und Beurkundung noch möglich gewesen. Insoweit nimmt sie Bezug auf den diesbezüglichen näheren Vortrag der Streithelferin.
Er vertritt die Auffassung, dass bei diesem Geschehensablauf keine Formbedürftigkeit der Vollmacht gegebe...