Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 21.12.2011; Aktenzeichen 614 KLs 1/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeklagten S. werden der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 14, vom 21. Dezember 2011 und der Haftbefehl des Landgerichts Hamburg vom 6. April 1987 in Verbindung mit dem Änderungsbeschluss desselben Gerichts vom 1. Juni 2007 - Az. (84) 49/85 KLs (614) - aufgehoben.
Gründe
I. Gegen den am 20. August 1985 festgenommenen Angeklagten S. hat das Amtsgericht Hamburg am 21. August 1985 wegen dringenden Verdachtes eines gemeinschaftlichen versuchten schweren Raubes, begangen am 20. August 1985, und wegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr Haftbefehl erlassen. Die am 10. September 1985 wegen gemeinschaftlichen versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung erhobene Anklage hat das Landgericht mit Eröffnungsbeschluss vom 19. September 1985 unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen. In der ausgesetzten ersten Hauptverhandlung vom 2. Oktober 1985 hat das Landgericht den Haftbefehl aufgehoben.
In der dritten Hauptverhandlung hat das Landgericht am 6. April 1987 beschlossen, dass gegen den Angeklagten "Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO wegen unentschuldigten Ausbleibens" ergehe; außerhalb der Hauptverhandlung hat das Landgericht die "Untersuchungshaft" (gemeint: Ungehorsams- bzw. Sicherungshaft) in Form eines die in § 114 Abs. 2 StPO geforderten Angaben enthaltenden Haftbefehls angeordnet. Auf Grund dessen hat die Staatsanwaltschaft den Angeklagten am 13. April 1987 zur Fahndung Festnahme ausgeschrieben. Mit durch zwei Richter unterschriebenem Beschluss vom 23. April 1987 hat das Landgericht das Verfahren "gemäß § 205 StPO vorläufig eingestellt". In der Folgezeit hat die Staatsanwaltschaft mit fünfzehn Verfügungen vom 12. August 1988 bis zum 17. Mai 2006 jeweils die Verlängerung der Fahndung angeordnet. Mit Beschluss vom 1. Juni 2007 hat das Landgericht seinen Haftbefehl vom 6. April 1987 dahin geändert, dass der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung wegen eingetretener Verjährung entfalle; der Beschluss enthält zur Neufassung des Haftbefehls eine Klammerverweisung auf Textteile des Haftbefehls vom 6. April 1987. Allein diese in der Urschrift des Änderungsbeschlusses nicht verbalisierte Neufassung des Haftbefehls ist Gegenstand einer Ausfertigung, ohne dass insoweit eine durch Richter unterzeichnete Urschrift sich bei den Akten befindet. Die Staatsanwaltschaft hat am 6. Juni 2007 die Anpassung der Fahndung an die Haftbefehlsausfertigung und am 20. April 2009 die Verlängerung der Fahndung verfügt.
Am 20. Oktober 2011 ist der Angeklagte in Frankfurt/Main verhaftet und ist ihm der "Haftbefehl des Landgerichts Hamburg vom 01.06.2007" eröffnet worden. Nach mündlicher Haftprüfung hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 21. Dezember 2011 die Fortdauer des Vollzuges der "Untersuchungshaft" angeordnet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die anwaltlich mit Antrag auf Haftverschonung begründete Beschwerde des Angeklagten vom 3. Januar 2012, auf deren Verwerfung die Generalstaatsanwaltschaft angetragen hat.
II. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den letzten die Haftanordnung und -vollstreckung betreffenden Beschluss vom 21. Dezember 2011 ist zulässig (§§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO) und begründet. Der am 6. April 1987 erlassene Haftbefehl hat auch in der Fassung des Änderungsbeschlusses vom 1. Juni 2007 keinen Bestand, da die durch § 230 Abs. 2 StPO intendierte Sicherung der Anwesenheit des Angeklagten in einer künftigen Hauptverhandlung zur Fortführung des Verfahrens nicht mehr erforderlich ist.
1. Allerdings führen nicht schon formale Mängel der Haftentscheidung des Landgerichts vom 1. Juni 2007 zur Aufhebung der Haftanordnung.
Ein nach § 230 Abs. 2 StPO erlassener Haftbefehl muss grundsätzlich den Anforderungen des § 114 StPO entsprechen (vgl. Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 230 Rdn. 33). Wird er nicht in der Hauptverhandlung verkündet und wird sein Inhalt nicht protokolliert, ist die Schriftform des § 114 Abs. 1 StPO zu wahren; gemäß §§ 114 Abs. 2, 34 StPO ist er allemal zu begründen. Diesen Anforderungen genügt der Änderungsbeschluss vom 1. Juni 2007 insoweit nicht, als es in dessen Formel heißt: "Der Haftbefehl lautet wie folgt: (HB Bl. 411 dA. mit angepasstem Rubrum sowie Entfallen der Worte ’.. durch dieselbe Handlung ..‚sowie ’b) einen anderen mittels .... Gesundheit beschädigt zu haben,‚)". Den gesetzlichen Anforderungen an die Schriftlichkeit wird nicht dadurch Genüge getan, dass die Richter in ein von ihnen gefertigtes unvollständiges Schriftstück Blattzahlen bzw. Klammern einsetzen, mit denen auf in den Akten befindliche Textpassagen Bezug genommen wird; der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle ist nicht befugt, durch Einfügung der bezeichneten Aktenteile erstmals ein Schriftstück herzustellen, welches die äußere Form eines richterlichen Beschlusses hat (vgl. Larcher in Graf, StPO, § 33 Rdn. 3; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2011, Az....