Entscheidungsstichwort (Thema)
Trennungsunterhalt: Bemessung des Unterhaltsbedarfs bei erheblich über dem Durchschnitt liegenden Einkommensverhältnissen
Leitsatz (amtlich)
Die tatsächliche Vermutung, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf verwendet worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15.11.2017 - XII ZB 503/16 - FamRZ 2018, 260 ff. und vom 25.09.2019 - XII ZB 25/19 - FamRZ 2020, 21 ff.), kann von dem Unterhaltspflichtigen entkräftet werden. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trägt der Unterhaltspflichtige.
Normenkette
BGB § 1361 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Dülmen (Aktenzeichen 6 F 120/18) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 07.06.2019 verkündete Schlussbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dülmen (Az. 6 F 120/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Antragstellerin - verpflichtet, an sie für den Monat April 2018 rückständigen Ehegattentrennungsunterhalt in Höhe von 144,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.05.2018 zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Antragstellerin zu 90 % und der Antragsgegner zu 10 %. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 41.602,67 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die beteiligten Ehegatten streiten um Ansprüche der Antragstellerin auf Zahlung von Trennungsunterhalt für die Zeit ab März 2018.
Die am ...10.1967 geborene Antragstellerin und der am ...04.1972 geborene Antragsgegner sind am 24.09.2004 vor dem Standesamt E die Ehe miteinander eingegangen. Zuvor hatten sie unter dem 20.08.2004 vor dem Notar I in E (Urkundenrollen-Nr. .../2004) einen Ehevertrag geschlossen und darin den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft dahingehend modifiziert, dass in einem Zugewinnausgleichsverfahren das in dem Ehevertrag näher bezeichnete Immobilieneigentum und Kapitalguthaben weder bei der Ermittlung des Anfangs- noch des Endvermögens berücksichtigt werden soll. Aus der Ehe ist die am ...02.2006 geborene gemeinsame Tochter O. L. hervorgegangen. Am 19.11.2016 trennten sich die Beteiligten durch Auszug der Antragstellerin aus der Ehewohnung. Der Antragsgegner verblieb in der zu Ehezeiten gemeinsam bewohnten Immobilie, einem freistehenden Einfamilienhaus mit Doppelgarage in E, welches in seinem Alleineigentum steht.
Die Antragstellerin ist ausgebildete Kommunikationswirtin und seit dem 01.06.2009 in ihrem erlernten Beruf bei der Firma X beschäftigt. Zum 01.01.2018 hat sie ihre Arbeitszeit bei der Firma X von 130 Stunden auf 169 Stunden und damit auf eine tarifliche Vollzeitbeschäftigung aufgestockt. In dem Zeitraum von Januar bis April 2018 erzielte die Antragstellerin ein Grundgehalt in Höhe von 3.411,84 EUR brutto und ab Mai 2018 ein solches in Höhe von 3.454,84 EUR brutto. Zusätzlich erhielt sie mit der Gehaltszahlung im Monat Mai ein Urlaubsgeld von 398,70 EUR, im April 2018 eine Einmalzahlung (Tariflohnerhöhung) von 500 EUR brutto und im Oktober Weihnachtsgeld in Höhe von 95% des laufenden Tarifgehalts. Darüber hinaus bezog sie in einzelnen Monaten Prämien für besondere Leistungen, die erfolgsabhängig sind und auf die kein Rechtsanspruch besteht. Im Jahr 2018 musste die Antragstellerin eine Steuernachzahlung in Höhe von 2.526,95 EUR für das Steuerjahr 2017 leisten; von dem Antragsteller erhielt sie im Rahmen des begrenzten Realsplittings eine Ausgleichszahlung in Höhe von 4.275 EUR. Für eine Zahnzusatzversicherung wendet die Antragstellerin monatlich einen Betrag in Höhe von 16,48 EUR auf. Auf dieser Grundlage gehen die Beteiligten für das Jahr 2018 übereinstimmend von einem durchschnittlichen Erwerbseinkommen der Antragstellerin in Höhe von 2.301,71 EUR netto im Monat aus. Darüber hinaus erzielt die Antragstellerin Einkünfte aus der Vermietung einer in ihrem Alleineigentum stehenden Eigentumswohnung in C, welche von den Beteiligten mit 296,75 EUR im Monat zugrunde gelegt werden.
Der Antragsgegner ist kaufmännischer Angestellter und seit dem 01.01.2004 bei der Fa. M BV & Co. KG in T beschäftigt. Er erzielte in dem Zeitraum von Mai 2017 bis April 2018 unstreitig ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 7.378,08 EUR netto zuzüglich eines geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Firmenwagens in Höhe von 475 EUR. Zusätzlich zu seinem monatlichen Gehalt erhält er mit der Gehaltsabrechnung für März eines jeden Jahres eine Tantieme ausgezahlt. Im Jahr 2018 wendete er für eine Erwerbsunfähigkeitszusatzversicherung monatlich einen Betrag von 5,68 EUR auf (N Lebensversicherungs-AG Vertrags-Nr.: 01); zudem zahlte er 48,57 EUR im Monat in eine Kapitallebensversicherung ein (N Lebensversicherungs-AG Vertrags-Nr.: 02). Ebenso wi...