Leitsatz (amtlich)

Zur Fluchtgefahr bei einem älteren Mann, der über eine feste Arbeitsstelle verfügt und sich für das Verfahren zur Verfügung gehalten hat.

 

Verfahrensgang

LG Hagen (Entscheidung vom 11.12.2002)

 

Tenor

Die Beschwerde wird mit folgender Maßgabe verworfen:

Der Vollzug des Haftbefehls des Landgerichts Hagen vom 04. November 2002 wird unter folgenden Auflagen außer Vollzug gesetzt:

  • 1.

    Der Angeklagte hat wieder in XXX Wohnung zu nehmen und jede Wohnsitzänderung dem Landgericht Hagen zum o.a. Aktenzeichen mitzuteilen.

  • 2.

    Der Angeklagte darf bis auf weiteres das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen. Reisen innerhalb Deutschlands, die länger als drei Tage dauern, sind vorher dem Landgericht Hagen zum o.a. Aktenzeichen anzuzeigen. Der Beschuldigte darf bis auf weiteres ggf. beantragte neue Personalpapiere nicht vom Einwohnermeldeamt in Empfang nehmen.

  • 3.

    Der Angeklagte hat allen Ladungen von Gerichten und der Staatsanwaltschaft Folge zu leisten.

  • 4.

    Der Angeklagte hat sich zwei Mal wöchentlich, und zwar Montags und Donnerstags bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden.

 

Gründe

Der am 25. November 2002 vorläufig festgenommene Angeklagte befindet sich auf Grund des Haftbefehls des Landgerichts Hagen vom 04. November 2002 ununterbrochen in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Hagen.

In dem Haftbefehl wird ihm zur Last gelegt, an nicht mehr genau feststellbaren Tagen im Sommer und Herbst 1998 in 14 Fällen die am 20. Dezember 1988 geborene Y. N. und ihre am 18. April 1987 geborene Schwester D.N. sexuell missbraucht zu haben. In sechs dieser Fälle soll er als Person über 18 Jahren an den Kindern beischlafähnliche Handlungen (Oralverkehr), die mit einem Eindringen in den Körper verbunden waren, vorgenommen haben (schwerer sexueller Missbrauch). Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe wird auf den bezeichneten Haftbefehl Bezug genommen.

In seiner verantwortlichen Vernehmung vom 08. August 2000 hat der Angeklagte die verfahrensgegenständlichen Taten bestritten. Nach Exploration der Geschädigten Y.N. hat die Diplom-Psychologin F. unter dem 05. Februar 2001 ein aussagepsychologisches Gutachten erstattet, in dem sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Angaben der Zeugin glaubhaft sind. Da sich die Geschädigte D.N. nicht von der Psychologin hat explorieren lassen, hat die Staatsanwaltschaft Hagen das Verfahren wegen der sie betreffenden Straftaten mit Verfügung vom 09. Juli 2001 abgetrennt und später gemäß § 154 Abs. 1 StPO vorläufig eingestellt. Mit gleichem Datum hat sie wegen der Straftaten zum Nachteil der Geschädigten Y.N. beim Landgericht Hagen Anklage wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen erhoben. Durch Beschluss vom 07. November 2001 hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Hagen diese Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet. Mit Verfügung vom selben Tage hat der Vorsitzende Termin zur Hauptverhandlung auf den 31. Januar sowie den 01., 04. und 06. Februar 2002 anberaumt. Diese Termine sind durch Verfügung vom 07. Januar 2002 wieder aufgehoben worden, nachdem auch die Geschädigte D.N. sich bereit erklärt hatte, sich durch einen Sachverständigen explorieren zu lassen.

Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in diesem Verfahren wieder aufgenommen. In seinem unter dem 19. August 2002 erstatteten Gutachten hat Prof. Dr. S. die Aussagen der Zeugin als glaubhaft bewertet. Unter dem 08. Oktober 2002 hat die Staatsanwaltschaft Hagen bezüglich der Straftaten zum Nachteil der Geschädigten D.N. Anklage vor dem Landgericht Hagen erhoben. Auf Grund der Vorwürfe aus beiden Anklagen hat das Landgericht Hagen unter dem 04. November 2002 gegen den Angeklagten Haftbefehl erlassen. Von diesem erlangte der Verteidiger des Angeklagten am Morgen des 25. November 2002 durch einen Anruf bei dem Polizeipräsidium in Hagen Kenntnis und unterrichtete seinen Mandanten im Anschluss an dieses Telefonat fernmündlich hierüber. Sogleich nach dieser Mitteilung brachte der Angeklagte, der seit nahezu 20 Jahren als Auslieferungsfahrer bei der Firma L. beschäftigt ist, seinen Lkw zu seinem Arbeitgeber und stellte sich anschließend selbst der Polizei in Hagen. Nach seiner vorläufigen Festnahme ist ihm noch am Vormittag desselben Tages der Haftbefehl verkündet worden. Nach Anhörung des Angeklagten hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Hagen durch Beschluss vom selben Tage den Haftbefehl aufrecht erhalten und in Vollzug gesetzt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Angeklagten vom 27. November 2002, der sie durch Beschluss vom 29. November 2002 nicht abgeholfen hat, ist durch Beschluss des Senats vom 19. Dezember 2002 für gegenstandslos erklärt worden. Denn durch Beschluss vom 11. Dezember 2002 hatte die Strafkammer die Anklage vom 08. Oktober 2002 zur Hauptverhandlung zugelassen, auch insoweit das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffn...

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