Entscheidungsstichwort (Thema)
„Oberschrift”, Selbstbenennung auf Briefumschlag des Testaments
Leitsatz (amtlich)
1. Die Selbstbenennung am Anfang einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung erfüllt nicht die einer Unterschrift zukommende Funktion, den Urkundentext räumlich und zeitlich abzuschließen und die Übernahme der Verantwortung für den nachfolgenden Text zu übernehmen.
2. Die auf einem verschlossenen Briefumschlag befindliche Namensangabe des Erblassers neben dem handschriftlichen Vermerk ‚Testament’ kann der Kennzeichnung des Inhalts des Briefumschlags dienen und deshalb nicht ohne weiteres als äußere Fortsetzung und Abschluß der im Umschlag befindlichen Testamentsurkunde verstanden werden.
Normenkette
BGB § 2247 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Siegen (Beschluss vom 17.11.1999; Aktenzeichen 4 T 136/99) |
AG Siegen (Aktenzeichen 32 VI 273/99) |
Tenor
Die weiteren Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben die den Beteiligten zu 3) – 11) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten, und zwar als Teilschuldner zu je 1/2 Anteil.
Der Wert des Gegenstandes der weiten Beschwerden wird auf jeweils 200.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die kinderlos verstorbene Erblasserin war verwitwet. Die Beteiligten sind – soweit ersichtlich – ihre gesetzlichen Erben. Das mit ihrem Ehemann errichtete notarielle gemeinschaftliche Testament vom 26. November 1988 (UR-Nr. 1307/88 Rechtsanwältin … als amtlich bestellte Vertreterin des Notars … enthält keine Verfügung betreffend den Nachlaß des Überlebenden.
Nach dem Tode der Erblasserin hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1) ein handschriftlich von der Erblasserin verfaßtes Schriftstück zur Testamentseröffnung eingereicht, welches sich nach Angaben der Beteiligten zu 1) und 2) in einem braunen verschlossenen Fensterumschlag (DIN A 5; GA 29) befunden haben soll. Der Umschlag trägt oberhalb des Fensters in Blockschrift die Aufschrift: „TESTAMENT/HENRY/ADELHEID”. Nach Angaben der Beteiligten zu 1) und 2) stammt die Beschriftung des Umschlages von der Hand der Erblasserin. Bei dem vom Nachlaßgericht eröffneten Schriftstück handelt es sich um eine offenbar ungefaltete linierte DIN A 4-Seite, auf der untereinander eine Reihe von Vermögensgegenständen sowie Namen aufgelistet sind, wobei den Vermögensgegenständen überwiegend Namen zugeordnet werden können, unter anderem die der Beteiligten zu 1) und 2). Bei der Wohnung „V. straße 12” ist indes vermerkt: „selbst”. Die Kopfzeile des Schriftstücks ist wie der übrige Text in Schreibschrift geschrieben. Sie lautet: „Mein Testament 4/12.97 A. R.”.
Desweiteren hat die Beteiligte zu 1) eine mit „Altersvorsorgevollmacht” überschriebene vorgedruckte umfassende Formular-Vollmacht zugunsten der Beteiligten zu 1) und 2) vorgelegt, die von der Erblasserin am 13. Mai 1998 unterschrieben ist. Die Unterschrift ist am 29. Mai 1998 notariell beglaubigt worden (UR-Nr. 1500/1998 Notar Dr. …
Zum Nachlaß gehören Eigentumswohnungen, Wertpapiere und Sparguthaben. Die Eigentumswohnungen sind am Tage nach dem Tode der Erblasserin an die Beteiligten zu 1) und 2) aufgelassen worden. Am 21. Januar 1999 sind die Beteiligten zu 1) und 2) als Miteigentümer bzw. die Beteiligte zu 2) bezüglich einer der Wohnungen als Alleineigentümerin eingetragen worden.
Mit notariellem Erbscheinsantrag vom 25. Februar 1999 (UR-Nr. 127/99 Notar …) hat die Beteiligte zu 1) mit näherer Begründung beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie neben der Beteiligten zu 2) zu 1/2 Anteil als Erbin ausweist.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, daß es mangels einer Unterschrift der Erblasserin an einer formwirksam errichteten letztwilligen Verfügung fehle. Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz des Urkundsnotars vom 8. Juni 1999 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluß vom 17. November 1999 zurückgewiesen hat. Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10. Januar 2000 weitere Beschwerde eingelegt, der die Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 9. März 2000 beigetreten ist.
Entscheidungsgründe
II.
1.
Die nicht fristgebundenen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) sind formgerecht eingelegt und auch sonst zulässig (§§ 29, 27 FGG).
Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) folgt daraus, daß ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Die Beteiligte zu 2) ist ebenfalls zur Einlegung der weiteren Beschwerde berechtigt, obwohl sie selbst keinen Erbscheinsantrag gestellt und die zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts nicht angefochten hat. Dies folgt aus dem Grundsatz, daß § 20 Abs. 2 FGG auf den Beteiligten nicht anwendbar ist, der berechtigt gewesen war, den Antrag in erster Instanz zu stellen, ihn aber nicht gestellt hat. So sind nach allgemein vertretener Auffassung gegen die Versagung eines gemeinschaftlichen Erbscheins (§ 2357 BGB) auch die...