Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abgrenzung von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis

 

Leitsatz (amtlich)

Ein rechtlicher Hinweis gem. § 139 ZPO kann auch dann entbehrlich sein, wenn der betreffende Gesichtspunkt bereits Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung bzw. zentraler Angriffspunkt der Berufung war und der Prozessgegner bereits durch eingehenden Vortrag die Partei zutreffend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet hat.

 

Normenkette

BGB §§ 1939, 2147, 2150; ZPO § 139

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 2 O 191/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.05.2020 verkündete Urteil der zweiten Zivilkammer des Landgerichts Detmold abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Auflassung einer Immobilie.

Die Klägerin ist die Witwe des am 00.00.2016 verstorbenen Erblassers B A. Die Beklagte ist die Tochter des Erblassers und der Klägerin. Der Erblasser war Alleineigentümer des streitgegenständlichen Hausgrundstücks Cstraße 0 in Z, eingetragen im Grundbuch von Z, Bl. (..). Bei der Immobilie handelte es sich um das Eigenheim der Eheleute, das von diesen im Jahr 1970 bezogen worden war. Der Erblasser errichtete am 11.10.1993 ein handschriftliches Testament, das folgenden Wortlaut hat:

1. Meine Ehefrau Y A, geborene X, erhält meinen Anteil am Wohnhaus, Cstraße 0, Z und sie ist damit alleinige Eigentümerin dieses Grundstücks.

2. Meine Tochter D A, Estraße 0 F erhält meinen Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung Z Gstraße 0 (1/2 Anteil), an der Eigentumswohnung F, Estraße 0 (1/4 Anteil) und am Grundstück Hstraße 0, Z (1/2 Anteil)

3. Meine bewegliche Habe sollen Mutter und Tochter einvernehmlich untereinander aufteilen.

Nach den Angaben der Sparkasse I, Z betrug das Guthaben auf den Konten des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls insgesamt 599.243,00 EUR. Die Miteigentumsanteile an den Immobilien Estraße und Hstraße waren bereits im Jahr 2003 bzw. 2007 im Wege der Schenkung auf die Beklagte übertragen worden. Das Amtsgericht Z erteilte den Parteien am 24.08.2016 einen gemeinschaftlichen Erbschein, der sie als Miterben zu je ein halb ausweist. Aufgrund dessen sind sie am 07.02.2017 als Miteigentümer des Grundstücks Cstraße 0 in Erbengemeinschaft eingetragen worden.

Die Klägerin ist aus dem Haus Cstraße in Z mittlerweile ausgezogen und bewohnt eine kleinere Wohnung. Seit einiger Zeit besteht zur Beklagten kein Kontakt mehr. Sie reagierte auf ein anwaltliches Schreiben vom 26.09.2019, mit dem sie zur Erklärung der Auflassung der Immobilie an die Klägerin zu Alleineigentum aufgefordert worden ist, nicht.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei der Anordnung in Ziff. 1 des Testaments handele es sich um ein Vorausvermächtnis zu ihren Gunsten. Sie hat vorgetragen, sie beabsichtige, das ihr allein zustehende Grundstück zu verkaufen, um eine stadtnahe Wohnung kaufen und finanzieren zu können. Die Immobilie habe einen Verkehrswert von 400.000 EUR. Allein der Wert des 964 m2 großen Grundstücks betrage 173.520,00 EUR. Der Vergleich der Werte der Eigentumswohnungen mit dem Wert des Hausgrundstücks zeige, dass der Erblasser der Klägerin einen höheren Vermögenswert habe zukommen lassen wollen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vorgetragen, die Klägerin sei wirtschaftlich nicht auf den Verkauf der Immobilie angewiesen, um eine kleinere Wohnung für sich zu erwerben. Sie hat die Auffassung vertreten, das Testament enthalte kein Vorausvermächtnis bezüglich der Immobilie. Sie müsse sich nicht auf eine Teilauseinandersetzung einlassen. Ferner hat die Beklagte vorgetragen, bisher sei die Klägerin von einer Teilungsanordnung ausgegangen. Durch die lebzeitige Übertragung der Eigentumsanteile an den Eigentumswohnungen habe der Erblasser lediglich die Erbschaftsteuerlast minimieren wollen. Die Frage, ob es sich bei der Anordnung des Erblassers um ein Vorausvermächtnis handele, hänge davon ab, ob die Klägerin mit einem über ihre Erbquote hinausgehenden Vermögensvorteil habe begünstigt werden sollen.

Durch die angefochtene Entscheidung ist die Beklagte antragsgemäß verurteilt worden, das Grundstück an die Klägerin zu Alleineigentum aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe nach den §§ 2174, 2150 BGB einen Anspruch auf Erfüllung des in der testamentarischen Verfügung des Erblassers vom 11.10.1993 niedergelegten Vorausvermächtnisses. Das Testament sei zur Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung auszulegen. Diese Auslegung ergebe, dass von einem Vorausvermächtni...

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