Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckung einer Verurteilung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses ist als vertretbare Handlung gemäß § 888 ZPO zu vollstrecken. Bleibt der vom Schuldner beauftragte Notar untätig, hängt die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Schuldner davon ab, ob dieser alles in seiner Macht stehende getan hat, um den Notar zu einer zügigen Erledigung des Auftrags anzuhalten.
2. Wenn der Notar den Auftrag zur Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses angenommen hat, kann eine Arbeitsüberlastung eine unangemessene Verzögerung der Tätigkeit nicht rechtfertigen. Der Notar kann neue Beurkundungsaufträge ablehnen, wenn er das Nachlassverzeichnis sonst nicht in angemessener Zeit erstellen kann.
3. Der Schuldner ist erforderlichenfalls verpflichtet, auf einen untätigen Notar mit folgenden Maßnahmen einzuwirken:
Beschwerde zum Landgericht gemäß § 15 Abs. 2 BnotO
Dienstaufsichtsbeschwerde an den Präsidenten des Landgerichts (§ 93 Abs. 1 BnotO)
Beschwerde an die Notarkammer (§ 67 Abs. 1 Satz 2 BnotO)
Normenkette
BGB § 2314 Abs. 1 S. 3; BNotO § 15 Abs. 2, § 67 Abs. 1 S. 2, § 93 Abs. 1; ZPO § 888 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 1 O 101/19) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 23.09.2020 - 1 O 101/19 - aufgehoben.
2. Gegen die Schuldnerinnen wird ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR festgesetzt, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft von drei Tagen. Die Schuldnerinnen haften für das Zwangsgeld als Gesamtschuldner.
Die Festsetzung erfolgt zur Erzwingung der Verpflichtungen der Schuldnerinnen aus dem Teilurteil des Landgerichts Freiburg vom 28.06.2019 - 1 O 101/19 - wie folgt:
Die Beklagten (Schuldnerinnen) werden als Gesamtschuldner verurteilt, Auskunft über den Nachlass der am 28.11.1921 geborenen und am 17.05.2018 verstorbenen R. S., unter Hinzuziehung des Klägers (Gläubigers) zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses, welches insbesondere folgende Punkte umfasst:
1. alle zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva);
2. alle zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva);
3. alle Zuwendungen und Schenkungen, die die Erblasserin in der Zeit vom 18.05.2008 bis zum 17.05.2018 zu Gunsten der Beklagten oder Dritter getätigt hat einschließlich teilentgeltlicher oder scheinbar entgeltlicher Verfügungen, Pflicht- und Anstandsschenkungen nach § 2330 BGB und Verträgen zu Gunsten Dritter auf den Todesfall, bei Vorbehalt von Nutzungsrechten oder einem freien Widerrufsrecht ohne zeitliche Begrenzung, und
4. alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen gemäß § 2050 ff. BGB, die die Erblasserin zu Lebzeiten an ihre Abkömmlinge getätigt hat.
3. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens vor dem Landgericht und in der Beschwerdeinstanz tragen die Schuldnerinnen als Gesamtschuldner.
Gründe
I. Der Gläubiger und die beiden Schuldnerinnen sind Geschwister. Die Schuldnerinnen sind aufgrund einer letztwilligen Verfügung Miterben zu je 1/2 nach dem Tod der am 17.05.2018 verstorbenen Mutter R. S.. Der Gläubiger hat im Erkenntnisverfahren vor dem Landgericht Pflichtteilsansprüche geltend gemacht. Im Rahmen einer Stufenklage hat das Landgericht durch Teilurteil vom 28.06.2019 die Schuldnerinnen verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses der verstorbenen Mutter durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses. Das Teilurteil ist rechtskräftig.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 02.08.2019 (Anlage AG 1) beauftragten die Schuldnerinnen den Notar O. in X. mit der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses. Der Notar nahm diesen Auftrag an und teilte mit einer E-Mail vom 02.12.2019 (Anlage AG 5) mit, er könne das Nachlassverzeichnis leider erst im nächsten Jahr anfertigen, da ihm im Dezember die terminliche Flexibilität fehle. Nach verschiedenen Mahnungen des Prozessbevollmächtigten der Schuldnerinnen befasste sich der Notar erstmals mit einem Schreiben vom 27.06.2020 (Anlage AG 11) mit dem ihm erteilten Auftrag. Das Schreiben enthielt Hinweise zur Verfahrensweise des Notars, und zur Mitwirkung der Schuldnerinnen bei der Erstellung des Verzeichnisses, verbunden mit einem Fragenkatalog an die Schuldnerinnen. Am 29.07.2020 führte der Notar einen ersten Termin durch, bei dem der Gläubiger, die Schuldnerin Ziffer 2 und der Prozessbevollmächtigte der beiden Schuldnerinnen anwesend waren. In diesem Termin und in der Folgezeit erteilten die Schuldnerinnen sämtliche von dem Notar für die Anfertigung des Verzeichnisses angeforderten Auskünfte und übersandten die von diesem angeforderten Unterlagen, insbesondere Kontoauszüge der Erblasserin und vom Notar angeforderte Vollmachten für weitere Ermittlungen (vgl. zuletzt das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Schuldnerinnen vom 11.08...