Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung
Leitsatz (amtlich)
Lässt sich die Insolvenzschuldnerin bei der Eingehung einer Ratenzahlungsvereinbarung mit einem Insolvenzgläubiger und der Zahlung der vereinbarten Raten in der kritischen Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in erster Linie von dem Wunsch leiten, eine jederzeit mögliche (erneute) Störung ihrer Kundenbeziehung durch drohende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu vermeiden, so liegt eine inkongruente Deckung i. S. v. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor.
Verfahrensgang
LG Mosbach (Urteil vom 01.08.2001; Aktenzeichen 2 O 169/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der Zivilkammer 2 des Landgerichts Mosbach vom 22.08.01 (2 O 169/01) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR10.000 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Anfechtung im Insolvenzverfahren.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der O. GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin). Die Beklagte hat gegen diese einen Anspruch auf Zahlung von DM 29.592,90 nebst Zinsen und Kosten, der durch rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 09.08.00 festgestellt ist. Am 08.09.00 beauftragte die Beklagte den Gerichtsvollzieher mit der Mobiliarvollstreckung und versandte am 13.09.2000 ein vorläufiges Zahlungsverbot gem. § 845 ZPO an die Fa. C. (im Folgenden: Drittschuldnerin). Dieses wurde am 18.09.2000 der Drittschuldnerin zugestellt. Am 06.10.2000 teilte der Gerichtsvollzieher mit, seine Vollstreckungsversuche seien erfolglos geblieben. Die Gemeinschuldnerin wandte sich mit Schreiben vom 06.10.00 (I 87) und 23.10.00 (I 89) an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten. Im letztgenannten Schreiben schlug die Gemeinschuldnerin Zahlung in monatlichen Raten von DM 6.000 vor. Daran anschließend heißt es:
„Voraussetzung für diese Vereinbarung muss aber die Rücknahme des vorläufigen Zahlungsverbots gegenüber unseres Kunden C.H. sein.”
Am 01.11.2000 schlossen die Gemeinschuldnerin und die Beklagte eine Ratenzahlungsvereinbarung (I 103). Darin verpflichtete sich die Gemeinschuldnerin zu monatlichen Raten von DM 6.000 beginnend ab dem 10.11.00. In § 2 der Vereinbarung heißt es:
„Kommt die Schuldnerin mit einer Rate ganz oder teilweise mit der Zahlung länger als 10 Kalendertage in Verzug, so wird die gesamte Restforderung zur Zahlung fällig. Die Gläubigerin kann dann Vollstreckungsmaßnahmen in die Wege leiten.”
In § 3 der Vereinbarung heißt es u. a.:
„Mit Unterzeichnung der vorstehenden Vereinbarung wird die Gläubigerin bislang in die Wege geleitete Vollstreckungsmaßnahmen unverzüglich zurücknehmen. Insbesondere wird die Pfändung bei der Drittschuldnerin … zurückgenommen. …”
Am 02.11.00 schrieb der Prozessbevollmächtigte der Beklagten an die Drittschuldnerin (I 113):
„… ich teile mit, dass die Vorpfändung zu v.b. Angelegenheit zurückgenommen wird.
Soweit Ihnen ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 17.10.00 zugestellt wird, ist dieser gleichfalls als gegenstandlos zu betrachten.”
Am 17.11.00 zahlte die Gemeinschuldnerin DM 6.000 an die Beklagte. Am 05.12.00 beantragte eine weitere Gläubigerin der Gemeinschuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 11.01.01 zahlte Gemeinschuldnerin weitere DM 6.000 an die Beklagte. Am 13.02.2001 eröffnete das Amtsgericht Hamburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter, der am 05.04.01 gegenüber der Beklagten die Anfechtung erklärte.
Der Kläger hat vorgetragen,
die Gemeinschuldnerin sei seit dem 01.11.00 zahlungsunfähig gewesen. Die Klage sei aus §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 143 Abs. 1 InsO begründet. Die erlangte Deckung sei inkongruent, da die Gemeinschuldnerin nur zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gezahlt habe. Selbst wenn man eine kongruente Deckung unterstelle, sei die Klage jedenfalls aus §§ 130 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO begründet. Die Beklagte habe die Zahlungsunfähigkeit seit 01.11.00 gekannt oder jedenfalls kennen müssen, weil ihr von der Gemeinschuldnerin mitgeteilt worden sei, dass die titulierte Forderung nicht beglichen werden könne. Am 17.10.00 habe das zuständige Amtsgericht auf Antrag der Beklagten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die Gemeinschuldnerin erlassen, der deren Forderungen gegen die Drittschuldnerin betroffen habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von DM 12.000 nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins gem. § 1 des Diskont-Überleitungs-Gesetzes p.a. hierauf seit dem 18.04.01 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
den Zahlungen habe eine kongruente Deckung zugrunde gelegen. Die Gemeinschuldnerin habe nicht zu...