Leitsatz (amtlich)
Kindesunterhalt kann bis zur höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ohne Darlegung eines entsprechenden konkreten Bedarfs verlangt werden. Vielmehr ist es Aufgabe des Unterhaltspflichtigen, darzulegen und zu beweisen, dass der tatsächliche Unterhaltsbedarf geringer ist. Allein die Gefahr einer zweckentfremdeten Verwendung des Kindesunterhalts durch den betreuenden Elternteil genügt zur Annahme eines geringeren Bedarfs nicht.
Das Verlangen von Kindesunterhalt gemäß den besonders günstigen Verhältnissen des Barunterhaltspflichtigen setzt nicht voraus, dass das Kind in der Vergangenheit vor der Trennung seiner Eltern bereits an diesen besonders günstigen Verhältnissen tatsächlich teilgenommen hat. Denn ein Kind leitet seinen Bedarf von den Eltern auch dann ab, wenn es mit diesen nicht zusammengelebt hat, eine vorausgegangene Gewöhnung des Kindes an einen gehobenen Lebensstandard ist also nicht erforderlich.
Die Erweiterung der Düsseldorfer Tabelle von zehn auf fünfzehn Einkommensgruppen ab 01.01.2022 stellt grundsätzlich einen Abänderungsgrund nach §§ 238 f. FamFG dar. Die Abänderung kann dabei - soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen - bereits für das Jahr 2021 in entsprechender rückwirkender Erweiterung der Einkommensstufen erfolgen (Anschluss an OLG Düsseldorf FamRZ 2023, 776 - Rn. 42 f.).
Fehlender Umgang mit seinen minderjährigen Kindern berechtigen den unterhaltspflichtigen Elternteil nicht zur Reduzierung seiner Barkindesunterhaltspflicht.
Normenkette
BGB §§ 1601-1602, 1610, 1611 Abs. 2; FamFG § 239
Verfahrensgang
AG Bad Kreuznach (Aktenzeichen 90 F 228/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Kreuznach vom 17.02.2023, Aktenzeichen 90 F 228/221, wird zurückgewiesen.
2. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Kreuznach vom 17.02.2023, Aktenzeichen 90 F 228/21, wird unter Ziffern 1 bis 4 wie folgt berichtigt: [Es folgt eine Berichtigung von Daten in dem angefochtenen Beschluss]
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren wird auf 5.083,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner ist der Vater der Antragsteller. Diese leben seit der Trennung ihrer Eltern im Jahre 2017 im Haushalt der Mutter. Die Beteiligten streiten über die Anpassung des für die Antragsteller ab dem 01.11.2021 zu zahlenden Kindesunterhalts.
Mit gerichtlichem Vergleich vom 06.12.2017, Aktenzeichen 90 F 234/17 Amtsgericht - Familiengericht - Bad Kreuznach, hatte sich der Antragsgegner zur Zahlung von jeweils 160% des Mindestunterhalts für die Antragsteller verpflichtet.
Im Rahmen eines Stufenantrags hatten die Antragsteller von dem Antragsgegner, der nach seiner Darstellung das größte Architektur- und Statik-Büro in R. mit fast 60 Mitarbeitern betreibt, zunächst Einkommensauskünfte gefordert. Dies hatte der Antragsgegner abgelehnt und sich für "unbegrenzt leistungsfähig" erklärt. Darauf haben die Antragsteller ihren Unterhaltsbedarf entsprechend der höchsten Einkommensstufe mit 200% des Mindestunterhalts beziffert.
Der Antragsgegner ist dem Erhöhungsverlangen entgegengetreten. Die Kinder könnten ihren Unterhaltsbedarf nicht aus seiner Lebensstellung ableiten, da J. bereits seit mehreren Jahren jeden Kontakt zu ihm ablehne und auch R. auf Betreiben der Mutter nur noch minimale Kontakte zu ihm pflege. Die Mutter habe ihn in der Vergangenheit wiederholt für unangemessen wertvolle Geschenke kritisiert und erklärt, die Kinder sollten einen einfachen Lebensstil pflegen, so dass die nunmehrige Mehrforderung nicht gerechtfertigt sei. Auch bestehe die Besorgnis, dass die Mutter, die lediglich einer Teilzeitbeschäftigung nachgehe, einen Teil des Kindesunterhalts für ihren Lebensunterhalt zweckentfremde. Daher sei es an den Antragstellern, den nunmehr geltend gemachten höheren Bedarf darzulegen.
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß verurteilt und dies mit der zwischenzeitlichen Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle begründet. Diese decke den pauschalierten Regelbedarf der Kinder ab, denen es unbenommen sei, einen darüber hinausgehenden Bedarf geltend zu machen. Lediglich dieser Mehrbedarf sei konkret dazulegen, nicht jedoch der Regelbedarf. Das Risiko einer zweckwidrigen Verwendung des Kindesunterhalts durch den betreuenden Elternteil könne nur Anlass für sorgerechtliche Maßnahmen bieten, rechtfertige jedoch nicht die Reduzierung der Unterhaltszahlungen. Auch das Bestehen von persönlichen Kontakten sei für die Unterhaltsbemessung rechtlich ohne Relevanz.
Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss am 17.03.2023 Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 21.03.2023 begründet.
Er macht geltend,
dass ein über den bislang titulierten Kindesunterhalt von 160% des Mindestunterhalts hinausgehender Bedarf der Kläger von diesen nicht dargetan und auch nicht erkennbar sei. In der Vergangenheit - auch während des Zusammenlebens - seie...