Leitsatz (amtlich)
1. § 9 StBerG ist eine Marktverhaltensvorschrift, deren Verletzung unlauter nach § 3a UWG ist.
2. Ein Verstoß gegen § 9 StBerG liegt vor, wenn eine Verbindung zwischen einer Vermittlungsleistung und einem konkreten Mandat hergestellt wird.
Normenkette
StBerG § 9
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 84 O 19/21) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 22.07.2021, Az. 84 O 19/21, wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Unterlassungstenor wie folgt lautet:
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Mandatsanfragen von Steuerberatern zu vermitteln, wenn dies geschieht wie nachfolgend wiedergegeben:
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II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Höhe der Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich der Unterlassung 10.000 EUR und im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Unterlassung der Vermittlung von der Beklagten aufbereiteter Mandatsanfragen an Steuerberater gegen Provision.
Die Klägerin betreibt über eine Internetplattform ein Netzwerk für Steuerberater. Die dem Netzwerk angehörigen Steuerberater zahlen für die Mitgliedschaft eine Monatspauschale. Bei der Klägerin eingehende Mandatsanfragen werden von dieser zur weiteren Bearbeitung an die Mitglieder weitergeleitet.
Die Beklagte betreibt unter B...de eine Internetseite, die sie von einer B. GmbH übernommen hat. Die Beklagte wirbt gegenüber Steuerberatern mit den im Tenor des Urteils abgebildeten Aussagen. Dem hiesigen Verfahren voraus gingen ein einstweiliges Verfügungsverfahren (31 O 109/17) und ein Ordnungsmittelverfahren (im Senat unter dem Az. 6 W 118/18), das die Zahlung von Servicegebühren für Mandatsanfragen betraf.
Das mit der vorliegenden Klage angegriffene geänderte Geschäftsmodell sieht nach insoweit unbestrittener Darstellung der Beklagten vor, dass Steuerberater nach vordefinierten Auswahlkriterien beschreiben können, welche Mandate für sie interessant sind. Über das Portal der Beklagten können Beratungssuchende ein Suchformular ausfüllen, in dem auch lediglich Kontaktdaten ohne Spezifizierung des konkreten Beratungsfalls angegeben werden können. Die Beklagte befragt anschließend diese Interessenten in 15- bis 20-minütigen Telefongesprächen. Die daraufhin aufbereiteten Anfragen ausgewählter Kunden (sog. "Leads", § 4 Abs. 3 Vertrag Anl. B 3) werden anonymisiert ausgewählten Steuerberatern zum Abruf bereitgestellt, wenn die Anfragen deren vordefinierten Auswahlkriterien entsprechen. Ein Beratung Suchender erhält drei Angebote von ausgesuchten Steuerberatern.
Für die Bereitstellung einer aufbereiteten Anfrage berechnet die Beklagte eine Vergütung, die unabhängig davon ist, ob der Berater die Anfrage abruft, ob dieser eine Abgabefrist verstreichen lässt, ob er ein unvollständiges Angebot abgibt oder ob sein Angebot ausgewählt oder dem Nutzer angezeigt wird. Gegenüber Steuerberatern gibt die Beklagte in ihrer Werbung an, dass ein Customer-Relations-Team jeden Lead "auf Herz und Nieren prüft", ein Mandant, der "nicht seriös oder nicht zahlungsbereit ist", nicht vermittelt werde. Jeder Mandant werde in dem 15-20 Minuten dauernden Validierungs-Telefonat "komplett analysiert" in Bezug auf "Umsatz, Belegzahl, Personal-Values, Budget oder Erfahrungswerte als Unternehmer". Diese Auswertung werde dem Berater zur Verfügung gestellt.
Die Klägerin sieht hierin einen gegen § 9 StBerG verstoßenden Verkauf von Mandaten unter anderem deswegen, weil mit einer messbaren Investition und mit Rabattgutscheinen für die Vermittlung validierter Mandatsanfragen zum Preis von 50 Euro geworben würde. Sie hat die Beklagte mit Schreiben vom 14.4.2020 erfolglos abgemahnt, daraufhin eine einstweilige Verfügung beantragt, die unter dem landgerichtlichen Aktenzeichen 33 O 45/20 geführt wird. Mit dem vorliegenden Verfahren geht die Klägerin in der Hauptsache gegen die Beklagte vor.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung (von Ordnungsmitteln) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für die Vermittlung von Mandatsanfragen von Steuerberatern eine Gebühr wie folgt zu verlangen:
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, die Vergütung betreffe die technische Möglichkeit, eine den vordefinierten Eingaben des Steuerberaters entsprechende Anfrage abzurufen, um ein unverbindliches Angebot abzugeben. Es handele sich um eine im zugrundeliegenden Vertrag (Anlage B 3) vereinbarte entgeltliche Werbe-Dienst...