Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen mangelnder Bestimmung beim Spezifikationskauf
Normenkette
HGB § 375 Abs. 2; BGB §§ 262, 280-281; EuZustVO Art. 8; ZPO § 167
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 17.04.2015; Aktenzeichen 15 HK O 18725/11) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München I, 15 HK O 18725/11, vom 17.04.2015 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.740.634,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2014 zu zahlen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. PVQ SE Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung für den Zeitraum 01.02. bis 31.03.2010 sowie Vertragsstrafe geltend.
Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte schlossen am 04./10.06.2008 einen Fünf-Jahres-Liefervertrag für Solarzellen (Anlage K 1), der für das Jahr 2010 eine Mindestliefermenge von 10 MWp vorsah. Die Preise für die jeweiligen Zelltypen und Leistungsklassen ergeben sich aus Anlage 4 des Liefervertrages.
Die vertraglich vorgesehenen Liefermengen wurden weder im Jahr 2009 noch in Jahr 2010 erreicht. Im Jahr 2010 bezog die Beklagte Solarzellen mit einer Leistung von insgesamt 1.064.136,00 Wp zu einem Preis von EUR 1,12 pro Wp (vgl. Anlagen K 6 - K 8). Für die Monate Februar und März 2010 erfolgten keine Bestellungen seitens der Beklagten. Sie nahm in diesem Zeitraum keine Solarzellen ab. Auch für die Monate Juni bis September 2010 erfolgten keine Bestellungen.
Die Beklagte übersandte am 23.12.2010 ein Schreiben mit dem Betreff "Rücktritt" (Anlage B 19).
Dem widersprach die Insolvenzschuldnerin mit Schreiben vom 04.04.2011 (Anlage K 4), in dem sie die Beklagte aufforderte, bis zum 21.04.2011 die ausstehenden Bestellungen nachzuholen, insbesondere ihr Wahlrecht hinsichtlich der Zelltypen und Zellklassen für die zu liefernden Solarzellen im Hinblick auf die Außenstände auszuüben. Mit Schreiben vom 14.06.2012 (Anlage K 9) übte die Insolvenzschuldnerin das Wahlrecht hinsichtlich der zu liefernden Solarzellen für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.12.2009 aus und forderte die Beklagte zur Abnahme dieser Solarzellen auf.
Der Kläger behauptet, die Beklagte sei ab 2009 nicht mehr bereit gewesen ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen. Er ist der Ansicht, die Schuldnerin sei nur verpflichtet gewesen, die Bestellungen der Beklagten auszuführen, wenn diese nach § 4 Abs. 2 und 3 des Vertrages erfolgten. Mit der Bestellung werde der Liefergegenstand erst konkretisiert. Er trägt vor, bei einem vertragsgemäßen Abruf wäre die Schuldnerin in die Lage gewesen, die vereinbarten Liefermengen zu erbringen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.740.634,18 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie behauptet, es sei von Anfang an zu Lieferschwierigkeiten gekommen. Nicht sie habe ihre Pflichten verletzt. Sie habe vielmehr die Insolvenzschuldnerin inständig um Erfüllung des Vertrages gebeten. Die Insolvenzschuldnerin sei jedoch zur Lieferung von Solarzellen nicht in der Lage gewesen. Im November 2009 habe der Zeuge Dr. M. darauf hingewiesen, dass die Vertragsparteien sich in Ansehung der erheblichen Lieferdefizite im Jahr 2009 zunächst über die Kapazitäten der Insolvenzschuldnerin unterhalten müssten, bevor Vorauszahlungen für 2010 geleistet werden könnten. Die Vertragsparteien hätten sich am 10.06.2010 über eine Vertragsaufhebung geeinigt.
Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Zeugen B. und Dr. M. hätten sich am 10.06.2010 auf der Intersolar getroffen; nach deren übereinstimmenden Aussagen habe der Zeuge B. keine Lieferungen von weiteren Solarzellen für das Jahr 2010 in Aussicht stellen können. Für das Gericht stehe daher fest, dass die Gemeinschuldnerin ihrer vertraglichen Pflicht zur Lieferung in dem streitgegenständlichen Zeitraum Februar und März sowie Juni bis September 2010 nicht habe nachkommen können. Der Aufforderung der Gemeinschuldnerin vom 04.04.2011 nunmehr die für das Jahr 2010 geschuldeten restlichen 8,9 MWp abzunehmen, stehe der Einwand der Verletzung von Treu und Glauben entgegen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Er rügt, das LG habe zu Unrecht angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach § 280 Abs. 1 und ...