Leitsatz (amtlich)
Die Verwendung von ungewöhnlichem Schreibpapier (hier: Kneipenblock) spricht nicht per se gegen einen ernsthaften Testierwillen.
Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, zur Bewertung der Echtheit eines handschriftlichen Testaments, einen Schriftsachverständigen hinzuzuziehen oder im Rahmen eigener vorhandener Sachkunde den Schriftvergleich selbst durchzuführen.
Bei der Bewertung des Testierwillens können auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände berücksichtigt werden (z.B. Auffindesituation, Äußerungen des Erblassers unmittelbar von Testamentserrichtung), über die ggf. gesondert Beweis zu erheben ist.
Normenkette
BGB §§ 2065, 2084, 2247, 2353; FamFG § 26; ZPO §§ 439-441
Verfahrensgang
AG Westerstede (Aktenzeichen 31 VI 1122/23) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Westerstede vom 30.08.2023 aufgehoben.
Die für die Erteilung des von der Antragstellerin beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet. Das Amtsgericht wird angewiesen, den von der Antragstellerin beantragten Erbschein, wonach sie den AA, geboren am TT.MM.1945 in Ort1, verstorben am TT.MM.2022 in Ort2, mit letztem, gewöhnlichen Aufenthalt in Ort3 alleine beerbt hat, zu erteilen.
Die gerichtlichen Kosten erster Instanz trägt die Beteiligte zu 1), von der Erhebung der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten erster und zweiter Instanz findet nicht statt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) begehrt die Erteilung eines Erbscheins nach dem am TT.MM.2022 verstorbenen AA (im Folgenden: der Erblasser) auf Grund testamentarischer Erbfolge. Sie war die Partnerin des Erblassers.
Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Nachkommen. Seine Eltern und seine Schwester, der einzige Geschwisterteil, sind vorverstorben. Die Schwester des Erblassers hatte vier Kinder, die Beteiligten zu 2) bis 5).
Die Beteiligte zu 1) und der Erblasser kennen sich seit 1985. Die Beteiligte zu 1) führte zu der Zeit das Lokal "(...)" in Ort3, der Erblasser betrieb die Landwirtschaft. 1991 verstarb der Ehemann der Beteiligten zu 1) und aus der Freundschaft des Erblassers mit ihr entwickelte sich eine Partnerschaft, wobei beide bis zum Tode des Erblassers keine gemeinsame Wohnung bewohnten. Nach finanziellen Problemen der Beteiligten zu 1) erwarb der Erblasser das Lokal "(...)" im Jahr 1994 und führte es fortan zunächst neben der Landwirtschaft und ab 2012 ausschließlich. Die Beteiligte zu 1) war weiterhin in dem Lokal tätig.
Kontakt zwischen dem Erblasser, seiner 2020 verstorbenen Schwester und deren Kindern, den Beteiligten zu 2) bis 5), bestand zuletzt selten.
Der Erblasser verstarb am TT.MM.2022. Die Beteiligte zu 1) legte in der Folgezeit einen Notizzettel der Brauerei (...) vor, auf dem grundsätzlich Bestellungen in der Gastronomie notiert werden. Dort heißt es "BB kriegt alles AA 04.12.22".
Die Beteiligte zu 1) hat erstinstanzlich gemeint, dass es sich bei dem Zettel um das von dem Erblasser selbst und mit Testierwillen handschriftlich verfasste Testament handele. Sie habe es am 06.01.2023 im Gastraum hinter der Theke gefunden, an dem der Erblasser auch nicht bezahlte Rechnungen ("Deckel") verwahrt habe (vgl. Lichtbild Bl. 100). Die Beteiligte zu 1) heißt mit Vornamen BB. Der Erblasser habe sie zu Lebzeiten immer "BB" genannt. Eine andere BB habe er nicht gekannt.
Die Beteiligten zu 2) - 5) haben erstinstanzlich Einwände gegen den Erbscheinsantrag erhoben. Die Handschrift auf dem Zettel sei nicht die des Erblassers. Es sei nicht ausreichend sicher, dass es sich bei der Beteiligten zu 1) um "BB" handele. Schließlich könne nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Zettel tatsächlich um ein Testament handele und dass der Zettel mit einem Testierwillen verfasst worden sei. Sie haben gemeint, dass sie die gesetzlichen Erben geworden seien. Einen Erbscheinsantrag haben sie bislang nicht gestellt.
Mit Beschluss vom 30.08.2023 hat das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, wonach die Beteiligten zu 2) bis 5) Miterben nach dem Erblasser geworden seien. Es greife die gesetzliche Erbfolge. Der auf den 04.12.2022 datierte Zettel stelle hingegen kein wirksames Testament dar. Ein Testierwille des Erblassers sei nicht feststellbar. Darüber hinaus fehle es an einer ausreichenden Konkretisierung der "BB", so dass nicht sicher festgestellt werden könne, ob die Beteiligte zu 1) wirklich gemeint war. Da ein Testierwille nicht feststellbar sei und ein möglicher Erbe nicht hinreichend zu konkretisieren sei, könne die Echtheit des Schreibens dahingestellt bleiben.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit der form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde. Der Zettel erfülle Mindestanforderungen eines Testaments. Die Auslegung ergebe, dass der Erblasser den Text mit Testierwillen verfasst habe. Hinsichtlich der Wortwahl müsse berücksichtigt werden, dass der Erblasser keinen hohen Bildungs...