Leitsatz (amtlich)
Aus der Fassung des § 143 Abs. 2 Satz 2 InsO als Ausnahme zu Satz 1 folgt, dass der Insolvenzverwalter als Anfechtender, der Wertersatz über die vorhandene Bereicherung hinaus fordert, die Unredlichkeit des Anfechtungsgegners im maßgeblichen Zeitpunkt zu beweisen hat. Für nahestehende Personen i.S.v. § 138 InsO ist keine Ausnahme von dieser Beweislastverteilung zu machen.
Verfahrensgang
LG Neubrandenburg (Urteil vom 25.05.2007; Aktenzeichen 2 O 36/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 25.5.2007 verkündete Urteil des LG Neubrandenburg (2 O 36/06) teilweise - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - geändert und wie folgt neu gefasst:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 217.029,77 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.3.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits werden zu ¾ der Beklagten und zu ¼ dem Kläger auferlegt.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens beträgt 294.728,33 EUR.
Gründe
I. Der Kläger als Insolvenzverwalter des J.F. (nachfolgend Schuldner genannt) macht Anfechtungsansprüche gem. §§ 134, 143 InsO gegen dessen Schwägerin geltend.
Der Schuldner war Gesellschafter eines Unternehmens, das Anleger anwarb, damit diese Gelder an der amerikanischen Börse gewinnbringend anlegten. Es wurden jedoch nur Teile der vereinnahmten Gelder i.H.v. ca. 86 Mio. US-$ zweckentsprechend verwandt. In der Zeit von Januar bis April 2002 überwies er insgesamt 260.000 US-$ zum Tageskurs von 296.758,10 EUR auf das Konto der Beklagten. Der Schuldner befand sich auf Grund des Haftbefehles des AG Dresden vom 26.3.2003 in der Zeit vom 29.3.2003 bis zu seiner Außervollzugsetzung am 5.5.2003 in Untersuchungshaft. Das LG Dresden verurteilte ihn wegen Betruges in über 600 Fällen zu einer mehrjährigen Haftstrafe.
Den Betrag von 296.758,10 EUR fordert der Kläger als unentgeltliche Leistung zurück. Die Beklagte behauptet, sie habe die gesamte Summe in verschiedenen Teilbeträgen an den Schuldner zurückgezahlt, bzw. mit dem überwiesenen Geld dessen Verbindlichkeiten getilgt.
Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, mit dem das LG die Klage überwiegend - bis auf einen Teilbetrag von 2.029,77 EUR - abgewiesen hat. Zur Begründung führt die Kammer aus, es sei nach Vernehmung der Zeugen B., V. und F. erwiesen, dass ein Betrag von 294.728,33 EUR zurückgeflossen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er die Klage in Höhe des abgewiesenen Teils weiter verfolgt. Er greift im Wesentlichen die Beweiswürdigung des LG an und macht geltend, dass der Schuldner am 29.3.2003 am Wohnort der Beklagten in B. verhaftet worden sei, so dass die Beklagte seit dieser Zeit Kenntnis von den an den Schuldner gerichteten Vorwürfen gehabt habe. Aus diesem Grund könne sich die Beklagte nicht auf Entreicherung berufen. Ihr seien die Umstände bekannt gewesen, die zwingend darauf schließen lassen mussten, dass Zahlungen an einzelne Gläubiger des Schuldners eine Vielzahl seiner weiteren Gläubiger benachteiligen würden. Dies gelte insbesondere für die behaupteten Überweisungen an Dritte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei nicht davon auszugehen, dass die entsprechenden Gelder in das Vermögen des Schuldners zurückgeflossen seien.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des am 25.5.2007 verkündeten Urteils des LG Neubrandenburg zu verurteilen, an den Kläger weitere 294.728,33 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Die Zahlungsverurteilung i.H.v. 2.029,77 EUR nimmt die Beklagte hin.
II. Das Rechtsmittel des Klägers hat teilweise Erfolg. Die Klage ist gem. §§ 134, 143 InsO i.H.v. 217.029,77 EUR begründet; im Übrigen ist sie abzuweisen.
1. Bei den Zahlungen des Schuldners an die Beklagte handelte es sich um ein unentgeltliche Leistungen i.S.v. § 134 InsO. Solche sind anfechtbar, es sei denn, sie sind früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. Diese Voraussetzungen liegen für den gesamten hier geltend gemachten Betrag vor. Unstreitig hat die Beklagte von dem Schuldner in der Zeit vom 7.1.2002 bis 29.4.2002 insgesamt 296.758,10 EUR erhalten, ohne dass diesen Zahlungen eine entsprechende Leistung gegenüberstand. Die Beklagte hatte für die Leistung des Schuldners keinen ausgleichenden Gegenwert zu erbringen (Kirchhof in MünchKomm zur InsO, 2. Aufl., Band 2, Rz. 17 zu 3 1...