Verfahrensgang
LG Tübingen (Urteil vom 21.02.2020; Aktenzeichen 4 O 205/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 21.02.2020 abgeändert:
(1.) Die Beklagten Ziff. 1 bis Ziff. 3 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 16.705,15 EUR nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2019 zuzüglich weiterer 584,16 EUR zu bezahlen.
(2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 85%, die Beklagten Ziff. 1 bis 3 zu je 5%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziff. 1 bis 2 in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 90%. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 161.722,50 EUR
Gründe
I. 1. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... ... gesellschaft (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) gegen die Beklagte Ziff. 1, eine Steuerberatergesellschaft, die im Zeitpunkt der Beauftragung als Partnerschaftsgesellschaft organisiert war, sowie deren haftende Partner einen Schadensersatzanspruch sowie einen Rückerstattungsanspruch wegen Insolvenzanfechtung geltend.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Wiesbaden - Insolvenzgericht - vom 30.05.2016, Az. 10 IN 173/16, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Eröffnung beruht auf einem Eigenantrag der Insolvenzschuldnerin vom 02.05.2016.
Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten Ziff. 1 bestand ein Steuerberatervertrag, in dessen Rahmen u.a. auch die Erstellung der Abschlussbilanz zum 31.12.2014 fiel. Die Einzelheiten der Beauftragung, insbesondere ob im Zusammenhang mit dem Auftrag zur Erstellung der Bilanz auch eine Prüfung der Insolvenzreife der Gesellschaft in Auftrag gegeben wurde, sind streitig. Darüber hinaus erstellte die Beklagte für die Insolvenzschuldnerin die handelsrechtliche Buchführung und Personalbuchhaltung.
Der Bekl. Ziff. 2 war der das Mandat verantwortlich bearbeitende Partner, der Bekl. Ziff. 3 ist ebenfalls Partner der Bekl. Ziff. 1
Unter dem 14.08.2015 (tatsächlich später endgültig fertig gestellt) erstellte die Beklagte Ziff. 1 (verantwortlich durch den Bekl. Ziff. 2) den Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2014 (Anl. K 5). In dem Abschluss findet sich (auf Seite 19 unter der Überschrift "Eigenkapital") die folgende Passage: "Der aktivische Ausweis 'Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag' ist gleichzusetzen mit der bilanziellen Überschuldung, nicht jedoch mit der Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts. Es liegt keine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vor, da eine positive Fortführung des Unternehmens wahrscheinlich ist." Diese positive Fortführungsprognose beruhte insbesondere auf Unterlagen, die der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin W ... der Beklagten Ziff. 1 übersandt hatte (s. Anl. B 7, GA 176 f.).
In dem Jahresabschluss war ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 1.945.458,94 EUR sowie ein Jahresfehlbetrag von 117.514,99 EUR ausgewiesen. Im Jahr zuvor, für das die Beklagte ebenfalls den Jahresabschluss erstellt hatte (Anl. K 6), betrug der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag 1.827.943,95 EUR und der Jahresfehlbetrag 62.383,39 EUR.
Ein substantieller Teil der Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin bestand aus Darlehensverpflichtungen gegenüber der zwischenzeitlich verstorbenen Geschäftsführerin / Gesellschafterin M ... H ... sowie deren Mutter, M ... H .... Beide hatten gegenüber der Gesellschaft für ihre in der Vergangenheit gewährten Darlehen Rangrücktrittserklärungen abgegeben, so M ... H ... am 15.08.2013 bezüglich dreier Darlehen im Umfang von insgesamt 623.376,29 EUR (Anl. B 5) und M ... H ... bezüglich drei Darlehen in Höhe von 877.004,90 EUR (Anl. B 6)
Gegenüber der Insolvenzschuldnerin wurden im Laufe des Jahres 2015 eine Reihe von Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen ausgesprochen. So wurden vom Finanzamt u.a. wiederholt Steuerrückstände sowie von Sozialversicherungen rückständige Sozialversicherungsbeiträge angemahnt. Teilweise - insbesondere bei den Steuerforderungen - gingen die entsprechenden Schreiben direkt an die Beklagte Ziff. 1. Im Übrigen ist streitig, ob und in welchem Umfang die Beklagte Ziff. 1 Kenntnis von den Mahnungen und Vollstreckungsversuchen erlangt hat. Im Laufe des Jahres erfolgten auch Teilzahlungen durch die Insolvenzschuldnerin, wobei wiederholt weitere Zahlungen für die Zukunft angekündigt wurden.
Im Mai 2015 verpflichtete sich M ...