OFD Niedersachsen, Verfügung v. 27.7.2017, S 7105 - 49 - St 186
1. Ende der Organschaft
1.1 Allgemeines
Eine Organschaft liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Unter den Voraussetzungen des Abschn. 2.8 Abs. 5a UStAE kann auch eine Personengesellschaft als Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein. Die Organschaft endet zu dem Zeitpunkt, zu dem eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht mehr erfüllt ist. Das ist z.B. der Fall, wenn
- sich die Stimmrechtsverhältnisse durch Aufnahme weiterer Gesellschafter in die Organgesellschaft entscheidend ändern (vgl. BFH vom 11.1.1990, V R 156/84, UR 1990 S. 355, BFH/NV 1990 S. 741),
- der Betrieb des Organträgers oder der Organgesellschaft veräußert oder
- die Organgesellschaft in eine Personengesellschaft umgewandelt wird. Dies gilt nicht, wenn die Voraussetzungen zur Eingliederung einer Personengesellschaft als Organgesellschaft vorliegen (Abschn. 2.8 Abs. 5a UStAE).
1.2 Liquidation und Vermögenslosigkeit
1.2.1 Die Liquidation der Organgesellschaft hat, solange sie noch nicht abgeschlossen ist, keine Auswirkung auf ihre Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers. Der Liquidationsbeschluss führt deshalb nicht zur Beendigung des Organschaftsverhältnisses; die Organgesellschaft rechnet vielmehr so lange zum Unternehmen des Organträgers, bis die Liquidation abgeschlossen und das vorhandene Gesellschaftsvermögen veräußert ist (FG Münster vom 31.1.1991, 5 K 3761/88 U, UR 1991 S. 378, m.w.N.). Das gilt selbst dann, wenn im Rahmen der Liquidation nur noch Umsätze aus der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände bewirkt werden (FG Nürnberg vom 22.2.1990, II 169/86, EFG 1990 S. 543).
1.2.2 Dagegen führt die Liquidation des Organträgers regelmäßig zur Beendigung der Organschaft, weil mit der Einstellung der aktiven unternehmerischen Tätigkeit des Organträgers die wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers entfällt (vgl. FG Hessen vom 21.8.1975, IV 127/74, EFG 1976 S. 34, und FG des Saarlandes vom 3.3.1998, 1 K 281/95, EFG 1998 S. 971).
1.2.3 Die wirtschaftliche Eingliederung aufgrund der Vermietung eines Grundstücks, das die räumliche und funktionale Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft bildet, entfällt nicht bereits dadurch, dass für das betreffende Grundstück Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung angeordnet wird (vgl. BMF-Schreiben vom 1.12.2009, BStBl 2009 I S. 1609). Eine Entflechtung vollzieht sich erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Beendigung des Nutzungsverhältnisses zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft (Abschn. 2.8 Abs. 6c UStAE).
1.2.4 Die Vermögenslosigkeit der Organgesellschaft beendet die Organschaft nicht; sie dauert fort, bis alle Rechtsbeziehungen der Organgesellschaft abgewickelt sind (vgl. BFH vom 27.9.1991, V B 78/91, UR 1992 S. 176, BFH/NV 1992 S. 346, und vom 19.10.1995, V R 128/93, UR 1996 S. 265, BFH/NV 1996 S. 275). Das gilt auch in Fällen, in denen der Antrag der Organgesellschaft auf Insolvenzeröffnung mangels einer die kostendeckenden Masse abgelehnt wird.
1.3 Insolvenzverfahren
1.3.1 Die Beantragung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft führt nicht zur Beendigung der Organschaft. Diese Maßnahme ändert nichts an der Eingliederung der Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers.
1.3.2 Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter für das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft bestellt und wird dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter). In diesem Fall endet die Organschaft mit Wirksamwerden der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, weil der Organträger nicht mehr die Möglichkeit hat, seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen.
1.3.3 Die Organschaft entfällt ebenfalls, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter für das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft bestellt wird und das Insolvenzgericht diesem einen allgemeinen Zustimmungsvorbehalt i.S. des § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO einräumt (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter). Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ist in der Lage, wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Schuldners zu verhindern, sodass eine Beherrschung der Organgesellschaft durch den Organträger nicht mehr möglich ist (vgl. BFH vom 8.8.2013, V R 18/13, BStBl 2017 II S. 543). Die Organschaft endet mit Wirksamwerden der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
1.3.4 Die Organschaft endet spätestens mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Organträgers...