Leitsatz
1. Bestellt das Insolvenzgericht für die Organgesellschaft einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnet es zugleich gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO an, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, endet die organisatorische Eingliederung (Änderung der Rechtsprechung).
2. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG entsteht mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt. Endet zugleich die Organschaft, richtet sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch für Leistungsbezüge der Organgesellschaft, die unbezahlt geblieben sind, gegen den bisherigen Organträger.
Normenkette
§ 2 Abs. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG, §§ 21ff. InsO, Art. 4 Abs. 4, Art. 11 Teil C Abs. 1 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH und war Organträger der GmbH. Er beantragte für die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Insolvenzgericht bestellte am 19. März 2002 einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt. Das Insolvenzverfahren wurde am 20. August 2002 eröffnet.
Das FA ging davon aus, dass die Organschaft bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden habe. Der Kläger sei daher als Organträger Steuerschuldner für die im Eröffnungsverfahren von der GmbH ausgeführten Umsätze. Zudem richte sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch aus unbezahlt gebliebenen Leistungsbezügen der GmbH, der mit Insolvenzeröffnung entstanden sei, gegen den Kläger.
Die Klage hatte keinen Erfolg (FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18.10.2012, 1 K 1061/07).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil des FG auf und wies die Sache an das FG zurück. Die Organschaft habe mit Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt geendet, sodass der Kläger die von der GmbH im Eröffnungsverfahren ausgeführten Umsätze nicht zu versteuern habe. Zur Höhe dieser Umsätze seien im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.
Der Kläger bleibe aber Schuldner des Vorsteuerberichtigungsanspruchs. Dieser sei ebenfalls bereits mit der Bestellung des vorläufigen Verwalters mit Zustimmungsvorbehalt und damit noch während der Organschaft entstanden.
Hinweis
Die Entscheidung ist für die Organschaft und für die Umsatzbesteuerung im Insolvenzfall von grundlegender Bedeutung.
1.Im Bereich der Organschaft vollzieht der BFH eine vor zwei Jahren angekündigte Rechtsprechungsänderung. Der BFH hatte für die organisatorische Eingliederung bisher darauf abgestellt, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht oder aber sichergestellt ist, dass bei der Organgesellschaft eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung nicht möglich ist. Im Urteil vom 7. Juli 2011, V R 53/10, BStBl II 2013, 218, BFH/NV 2011, 2195 hat der BFH allerdings offengelassen, ob der bloße Ausschluss einer vom Willen des Organträgers abweichenden Willensbildung für die organisatorische Eingliederung weiterhin ausreicht.
Der BFH verwirft nunmehr die organisatorische Eingliederung aufgrund des Ausschlusses einer abweichenden Willensbildung und stellt ausschließlich auf die Möglichkeit zur Willensdurchsetzung ab. Damit wird eine möglichst einheitliche Auslegung der einzelnen Eingliederungsvoraussetzungen gewährleistet. So kommt es auch bei der finanziellen Eingliederung auf eine Mehrheitsbeteiligung an, die eine Willensdurchsetzung ermöglicht, sodass z.B. eine Beteiligung von nur 50 %, die nur ein Vetorecht vermittelt, nicht ausreicht.
2. Die Folgen dieser Rechtsprechungsänderung zeigen sich im Insolvenzeröffnungsverfahren, wenn das Insolvenzgericht für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung (oder bis zur Ablehnung der Insolvenzeröffnung) einen sog. schwachen vorläufigen Verwalter mit bloßem Zustimmungsvorbehalt bestellt. Dieser vorläufige Verwalter kann seine Vorstellungen zwar mangels Verwaltungs- und Verfügungsrechts nicht durchsetzen. Zu seinen Gunsten besteht aber aufgrund des Zustimmungsvorbehalts ein umfassendes Vetorecht. Diese Rechtsstellung befähigt und verpflichtet ihn zur Massesicherung, sodass er z.B. Zahlungen an den oder die Gesellschafter verhindern kann.
Wird für eine Organgesellschaft ein derartiger Verwalter bestellt, hat die Annahme einer fortbestehenden Organschaft für den Organträger zur Folge, dass er die Umsätze aus der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft weiter zu versteuern hat, rechtlich aber nicht in der Lage ist, auf die von der Organgesellschaft für Ausgangsumsätze vereinnahmte Umsatzsteuer zuzugreifen. Der BFH hat hierin in der Vergangenheit keinen Hinderungsgrund für den Fortbestand der Organschaft gesehen.
Unter Berücksichtigung der neueren BFH-Rechtsprechung, die im eröffneten Insolvenzverfahren das Entstehen von Masseverbindlichkeiten auch damit begründet, dass der Unternehmer und sein Insolvenzverwalter umsatzsteuerrech...