Prof. Dr. Wolfgang Nicolai
3.1 Unternehmensbezogene Beratung vor den Kündigungsgesprächen
Um Missverständnissen vorzubeugen, ist klar zu unterstreichen, dass Outplacement-Beratung nicht an der Entscheidung mitwirkt, ob Mitarbeitern gekündigt werden muss und/oder welchen Mitarbeitern zu kündigen ist. Jegliche Einbeziehung der Outplacement-Berater in diese Entscheidungen würde Neutralität und den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu den Betroffenen unmöglich machen. In dem Maße wie Allround-Personaldienstleister im Outplacement tätig werden, wird diese Maxime häufig außer Acht gelassen.
Sinnvoll ist es hingegen, Vorgesetzte und/oder Geschäftsleitung zu schulen, wie man Trennungsgespräche in einer Weise führt, die die Würde der jeweiligen Mitarbeiter respektiert und zugleich den Ruf des Unternehmens nach innen und außen schützt. Derartige Workshops sind immer dort angebracht, wo Erfahrungen mit Kündigungsgesprächen nicht oder in geringem Maße vorliegen bzw. wo mit zugespitzten Konfliktsituationen zu rechnen ist. Ein weiteres Thema für Beratung und Schulung, bei dem Vorgesetzte oft Unterstützung benötigen, ist die Ausfertigung von Arbeitszeugnissen.
Vielfach beginnt die Einbeziehung einer Outplacement-Beratung in den Unternehmen erst nach bereits erfolgten Trennungsgesprächen. Unerlässlich ist auch in diesen Fällen ein eingehendes Informationsgespräch zwischen Beratungsgesellschaft, Personalverantwortlichen und möglichst auch mit dem Betriebsrat (letzteres bei Gruppenoutplacement), um gemeinsam eine Vorgehensweise abzustimmen, die die jeweiligen Gegebenheiten annähernd optimal berücksichtigt.
3.2 Der Beratungsprozess mit den betroffenen Mitarbeitern
3.2.1 Kontaktaufnahme des Beraters und psychische Verarbeitung der Trennung vom Unternehmen
Für den Erfolg der Beratung ist es sehr wichtig, dass die Kontaktaufnahme zwischen Berater und Kandidaten so früh wie möglich nach dem Trennungsgespräch geschieht, um keine Zeit zu verlieren und die Phase der ausgeprägten Selbstzweifel nicht verfestigen zu lassen. Es versteht sich, dass im Einzeloutplacement die Kontaktaufnahme individuell im Vieraugen-Gespräch zwischen Berater und Kandidat stattfindet, während im Gruppenoutplacement eine Informationsveranstaltung für alle Betroffenen den Erstkontakt bringt. Dem folgen dann in Einzelgesprächen die jeweiligen bilateralen Kontakte. Häufig trifft der Berater in dieser Lage auf schockierte, orientierungslose Mitarbeiter. Die Bandbreite der Verhaltensweisen der Ratsuchenden ist äußerst vielfältig und erstreckt sich von Tränen und Verzweiflung über scheinbare völlige Abgeklärtheit bis zu offenen verbalen Wutausbrüchen gegen die Verantwortlichen im Unternehmen. Der Berater führt das Gespräch und lenkt schrittweise die Gesprächsrichtung zu einer Analyse der Kündigungsgründe, die in einer plausiblen, realistischen Erklärung mündet. In dem ersten Gespräch gibt der Berater einen kurzen Überblick über die angebotene Leistung, ohne den Kandidaten mit Informationen zu überfüttern. Er zeigt bzw. deutet erste Lösungsmöglichkeiten an.
In dieser Phase entsteht das für die Folgeschritte unerlässliche Vertrauen. Vorbehalte werden abgebaut. Wo immer das nicht gelingt, wird ein Beraterwechsel unausweichlich. Auch wenn das Unternehmen die Beratung zahlt, so ist der externe Berater unbedingt zur Neutralität und vollen Vertraulichkeit über die Gesprächsinhalte verpflichtet.
Weder vorschnelle Aktionen noch zeitliches Strecken der "Trauerarbeit" sind zielführend. Die Stabilisierung und Stärkung des angeschlagenen Selbstbewusstseins der Ratsuchenden braucht ein bestimmtes Zeitlimit. Über eine Phase der Gefühlsschwankungen führt die Beratung zu einer überwiegend optimistischen Grundhaltung. Das ist die Voraussetzung für die Nutzung neuer beruflicher Chancen.
Die psychische Verarbeitung der Trennung vom Unternehmen kann in den Fällen, wo der Kandidat bereits zahlreiche Erfahrungen in beruflichen Veränderungen verinnerlicht hat, eine untergeordnete Rolle spielen. Der idealtypische Ablauf der Outplacement-Beratung, wie er hier beschrieben wird, darf nicht als Schablone gesehen werden. Je nach den konkreten Voraussetzungen der Kandidaten können einzelne Punkte des Ablaufs eine größere oder kleinere Rolle spielen.
3.2.2 Von der Potenzialanalyse zur Entwicklung einer "persönlichen Marketing- und Suchstrategie"
Ein nächster wichtiger Schritt ist die Analyse und Bestandsaufnahme der Ist-Situation, d. h. des bisherigen Lebens- und Berufswegs des Kandidaten. Dazu gehören eine Stärken/Schwächen-Analyse, das Erstellen eines Fähigkeitsprofils und die Ermittlung individueller Ziele sowie kritischer Sozialfaktoren. Bei finanzieller Förderung der Beratung nach § 110 SGB III bzw. im Vorfeld einer Transfergesellschaft sind dazu verbindlich die von der Agentur für Arbeit vorgegebenen Unterlagen (Profiling-Bogen/Arbeitspaket) auszufüllen. Bei der Erarbeitung der Potenzialanalyse werden z. B. der Abgleich von Selbstbild und Fremdbild sowie vielfach psychologische Tests (bei seriösen Anbietern nur mit Zustimmung des Kandidaten) eingesetzt. Der Ratsuchende lernt mit seinen Schwächen umzugehen, sie entweder schrittweise zu überwinden oder aber ihre Anerkennung zur eigenen Stärkung zu nutzen. Bei den kritischen Sozialfaktoren geht es z. B. um mangelnde berufliche Qualifikation, verlorene Motivation, Überschätzung vo...