1. Keine Bindungswirkung
Die Pauschalbesteuerung durch den Arbeitgeber entfaltet keine Bindungswirkung für das Veranlagungsverfahren, soweit die pauschal besteuerten Beträge den Betrag übersteigen, den der Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG als WK geltend machen kann. Dies gilt für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle.
Rechtsfolge: Dies bedeutet, dass i.R.d. ESt-Veranlagung
- einerseits die als WK abzugsfähige Entfernungspauschale um die pauschal besteuerten Arbeitgeberleistungen bis auf maximal 0 EUR zu mindern ist, und
- andererseits ein gegebenenfalls verbleibender Differenzbetrag an zu hoch pauschal besteuerten Arbeitgeberleistungen dem Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers hinzuzurechnen ist.
Beispiel
Der Arbeitnehmer nutzt für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sein eigenes Kfz. Die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte beträgt 70 km. Vom Arbeitgeber erhält der Arbeitnehmer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn einen Fahrtkostenzuschuss, der gem. § 40 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG mit 15 % pauschal besteuert wird.
Im Kalenderjahr 2021 betrug der unter Anwendung der Vereinfachungsregelung pauschal besteuerte Fahrtkostenzuschuss insgesamt 4.230 EUR (15 Tage x 12 Monate x 20 km x 0,30 EUR= 1.080 EUR zzgl. 15 Tage x 12 Monate x 50 km x 0,35 EUR= 3.150 EUR).
Da der Arbeitnehmer auch im Homeoffice tätig war, hat er im Kalenderjahr 2021 die erste Tätigkeitsstätte tatsächlich nur an 120 Arbeitstagen aufgesucht.
Lösung: Im Rahmen der ESt-Veranlagung ist die als WK abzugsfähige Entfernungspauschale um die pauschal besteuerten Arbeitgeberleistungen bis auf maximal 0 EUR zu mindern.
120 Tage x 20 km x 0,30 EUR |
720 EUR |
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120 Tage x 50 km x 0,35 EUR |
2.100 EUR |
2.820 EUR |
abzgl. bislang pauschal besteuert |
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– 4.230 EUR |
WK-Abzug |
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0 EUR |
Der Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers ist um den verbleibenden Differenzbetrag an zu hoch pauschal besteuerten Arbeitgeberleistungen (4.230 EUR – 2.820 EUR = 1.410 EUR) zu erhöhen.
2. Einzelbewertung
Stellt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen Firmenwagen zu Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte zur Verfügung, ohne dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt wird, ist der daraus resultierende geldwerte Vorteil
- nach der 0,03 %-Regelung oder
- nach der 0,002 %-Regelung (Einzelbewertung)
zu ermitteln.
Beachten Sie: Die Methode darf zwar während des Kalenderjahres nur einheitlich angewendet werden.
Wechselmöglichkeit: Eine rückwirkende Änderung des LSt-Abzugs (Wechsel von der 0,03 %-Regelung zur 0,002 %-Regelung oder umgekehrt für das gesamte Kalenderjahr) ist
- im laufenden Kalenderjahr und
- vor Übermittlung der LSt-Bescheinigung
jedoch grundsätzlich möglich.
Ebenso ist ein Wechsel i.R.d. ESt-Veranlagung zulässig. In diesem Fall ist ein ggf. zu hoch pauschal besteuerter Arbeitslohn dem Bruttoarbeitslohn hinzuzurechnen.
Keine Änderung der LSt-Pauschalierung: Für den Fall, dass pauschal besteuerte Arbeitgeberleistungen teilweise dem Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers hinzuzurechnen sind, ist von Amts wegen keine Änderung der LSt-Pauschalierung vorzunehmen. Beachten Sie: Der Arbeitgeber kann die gegebenenfalls zu viel abgeführte pauschale LSt nur auf Antrag beim FA zurückerstattet bekommen.
Steuerfreie Sachbezüge und Zuschüsse i.R.d. ESt-Veranlagung: Seit dem VZ 2019 können Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistete Barzuschüsse und Sachleistungen für Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sowie diesen gleichgestellte Fahrten (Fahrten zu einem vom Arbeitgeber dauerhaft festgelegten Sammelpunkt oder zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet) mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Personenfern- und -nahverkehr sowie für private Fahrten des Arbeitnehmers im öffentlichen Personennahverkehr steuerfrei behandeln (§ 3 Nr. 15 S. 1 und 2 EStG).
Minderung der WK: Die nach § 3 Nr. 15 S. 1 und 2 EStG steuerfreien Leistungen mindern die nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG abziehbaren WK (§ 3 Nr. 15 S. 3 EStG). Eine Minderung der Entfernungspauschale nach § 3 Nr. 15 S. 3 EStG erfolgt maximal bis auf 0 EUR.
Verbleibender Differenzbetrag: Ein gegebenenfalls verbleibender Differenzbetrag (steuerfreie Leistungen übersteigen den als WK abziehbaren Betrag) ist dem Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers ausnahmsweise nur dann hinzuzurechnen, wenn der Arbeitgeber Leistungen zu Unrecht und/oder in zu hohem Umfang nach § 3 Nr. 15 EStG steuerfrei belassen hat.
Beachten Sie: Diese Grundsätze gelten bei nach § 8 Abs. 2 S. 11 EStG oder § 8 Abs. 3 EStG steuerfreien Sachbezügen für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder Fahrten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG (Fahrten zu einem vom Arbeitgeber dauerhaft festgelegten Sammelpunkt oder zu einem weiträumigen Tätigkeitsgebiet) entsprechend.