Leitsatz
1. Für Pensionszusagen, welche nach dem 31.12.1986 erteilt worden sind (sog. Neuzusagen), ist handels- wie steuerrechtlich eine Rückstellung zu bilden (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 13.06.2006, I R 58/05, BFH/PR 2006, 389; R 41 Abs. 1 S. 2 EStR 1999, R 6a Abs. 1 S. 2 EStR 2005).
2. Das sog. Nachholverbot für Pensionsrückstellungen gem. § 6a Abs. 4 S. 1 EStG geht dem Grundsatz des formellen Bilanzzusammenhangs vor.
Normenkette
§ 6a Abs. 4 S. 1 EStG, § 249 Abs. 1 HGB, Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGHGB
Sachverhalt
Eine gegründete GmbH sagte ihren drei Gesellschafter-Geschäftsführern 1996 jeweils eine Alters- und Witwenversorgung zu; zwei der Gesellschafter-Geschäftsführer erhielten überdies die Zusage einer Invaliditätsversorgung. Zur Absicherung der Ansprüche schloss die GmbH für die Versorgungsberechtigten als versicherte Personen kapitalbildende Lebensversicherungen ab, die durch eine Kürzung der monatlichen Geschäftsführergehälter finanziert wurden. Die Forderungen aus den Rückdeckungsversicherungen verpfändete die GmbH zur Sicherung der Ansprüche aus den Pensionszusagen an die Versorgungsberechtigten.
In den Jahresabschlüssen 1996 bis 2000 berücksichtigte die GmbH weder die Pensionsverpflichtungen noch die Ansprüche aus den Rückdeckungsversicherungen; die Versicherungsbeiträge erfasste sie jeweils als Aufwand.
Die anschließenden Steuerbescheide für 1996 bis 1999 wurden auf dieser Basis bestandskräftig. Das FA beanstandete die Nichtpassivierung auch nach Durchführung einer Betriebsprüfung nicht.
Im Rahmen der Veranlagung für 2000 passivierte das FA hingegen die Pensionsanwartschaften, wobei es den Rückstellungen unter Berufung auf § 6a Abs. 4 S. 1 EStG allerdings nicht den gesamten Teilwert der Pensionsverpflichtungen, sondern nur den Differenzbetrag zwischen dem Teilwert zum 31.12.1999 und jenem zum 31.12.2000 zuführte. Zugleich aktivierte das FA die Ansprüche aus den Rückdeckungsversicherungen mit dem vollen Teilwert.
Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos (FG Köln, Urteil vom 21.03.2007, 13 K 2806/04, Haufe-Index 1763585, EFG 2007, 1411).
Entscheidung
Auch der BFH gab dem FA recht:
§ 6a EStG enthalte gleichermaßen eine Ansatz- wie eine Bewertungsvorschrift. Sog. Neuzusagen, welche nach dem 31.12.1986 erteilt worden sind, seien hiernach handels- wie steuerrechtlich zu passivieren.
Werde dies ganz oder teilweise unterlassen, dann "sperre"§ 6a Abs. 4 S. 1 EStG ein Nachholen jener in der Vergangenheit "unterlassenen" Passivposition. Das gelte prinzipiell uneingeschränkt, auch dann, wenn der Steuerpflichtige über die Rechtslage geirrt habe oder rechtunkundig sei.
Für die korrespondierende Aktivierung der Ansprüche aus den Rückdeckungsversicherungen gelte das indes nicht. Diese seien vollumfänglich auszuweisen.
Hinweis
1. Gem. § 6a Abs. 4 S. 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung in einem Wirtschaftsjahr höchstens um den Unterschied zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahrs und am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs erhöht werden. Die Regelung ist unter dem Begriff des sog. Nachholverbots geläufig. Ihre Geltung und ihre Reichweite machen immer wieder Ärger.
2. Der BFH hat dazu nun sein bisheriges striktes und formalrechtliches Gesetzesverständnis bestätigt:
Ist die Bildung einer Pensionsrückstellung ganz oder teilweise unterblieben, dann lässt sich das prinzipiell nicht mehr reparieren. Der Verbotsbefehl des § 6a Abs. 4 S. 1 EStG ist eindeutig und unmissverständlich. Er belässt kaum Spielräume und stellt nur auf die objektive Gesetzeslage ab.
Er greift deshalb auch bei Rechtsirrtümern und bei Rechtsunkenntnis.
3. Ausnahmen werden nur in wenigen Fällen zugelassen, nämlich (1)bei Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und (2) dann, wenn das FA einen anderweitigen Bilanzansatz in der Vergangenheit erzwungen hat. Von einem solchen Erzwingen ist aber wiederum abzugrenzen, wenn das FA (z.B. nach einer Außenprüfung) die unterbliebene Passivierung nicht beanstandet hat, selbst dann nicht, wenn dies ausdrücklich erfolgt ist. Ein irgendwie gearteter "Zwang" wird darin nicht gesehen.
4. An der "Sinnhaftigkeit" des Nachholverbots mag man zweifeln. Es sollte ursprünglich dazu dienen, willkürliche Gewinnverschiebungen zu verhindern. Solche kommen indes nur bei entsprechenden Passivierungswahlrechten in Betracht, nicht im Fall einer Passivierungspflicht.
Früher bestand ein solches Wahlrecht für Pensionsverbindlichkeiten. Für sog. Neuzusagen, also Pensionszusagen, die nach dem 31.12.1986 erteilt wurden, scheidet ein solches Wahlrecht aus handelsrechtlicher Sicht hingegen aus (vgl. Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGHGB).
Für das Steuerrecht gilt nichts anderes. Zwar könnte aus der fortbestehenden Existenz des Nachholverbots vielleicht rückgeschlossen werden, das Steuerrecht gehe insofern einen Sonderweg und räume nach wie vor ein Wahlrecht ein. Der BFH erteilt solchen Interpretationsversuchen indes eine Absage: Es bleibt auch hier uneingeschränkt bei der Passivierungspflicht.
Dass das Nachh...