Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Überblick
Nach der Rechtsprechung von EuGH und BFH können auch Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen weisungsgebunden in einen Organkreis eingebunden sein. Die Finanzverwaltung regelt die Voraussetzungen, unter denen entgegen der gesetzlichen Formulierung auch eine Personengesellschaft als Organgesellschaft angesehen werden kann. Darüber hinaus werden die Voraussetzungen für die Vorsteuerabzugsberechtigung von Holdinggesellschaften an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst.
Kommentar
Die rechtliche Problematik
Nach der nationalen Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG kann eine juristische Person weisungsgebunden in ein anderes Unternehmen eingebunden sein, wenn sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt zwingend eine Organschaft vor, die dazu führt, dass die Organgesellschaft nicht selbstständig (nichtunternehmerisch) tätig ist. Unternehmereigenschaft hat dann ausschließlich der Organträger, er ist Träger aller umsatzsteuerlichen Rechte und Pflichten – insbesondere ist er Schuldner der Umsatzsteuerbeträge des gesamten Organkreises.
Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft ist nicht davon abhängig, dass die Voraussetzungen von den Beteiligten bzw. der Finanzverwaltung erkannt worden sind. Die Rechtsfolgen der Organschaft ergeben sich auch bei "unerkannten" Organschaften, was insbesondere in den Fällen einer späteren Insolvenz Probleme bereiten kann. Deshalb sollte immer genau geprüft werden, ob die Voraussetzungen der Organschaft vorliegen.
Umstritten war, ob sich die Wirkungen der Organschaft – wie in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG national vorgegeben – nur auf juristische Personen beziehen können und ob sich die aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH resultierenden Über- und Unterordnungsvoraussetzungen für die Eingliederung mit dem Unionsrecht vereinbaren lassen.
Der EuGH hatte dazu entschieden, dass Art. 11 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der alleine juristische Personen in ein solches einheitliches Unternehmen eingegliedert werden können. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn die Regelung zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und der Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet ist – dies muss jeweils das nationale Gericht prüfen. Darüber hinaus ergibt sich auch das zwingende Über- und Unterordnungsverhältnis nicht aus dem Unionsrecht. Hier sind jedoch ebenfalls nationale Abweichungen möglich, wenn es der Verhinderung von missbräuchlichen Praktiken dient.
In der Folge des EuGH-Urteils haben sich beide Senate des BFH mit den Folgen für die nationale Anwendung im Organschaftsrecht auseinandersetzen müssen. Teilweise sind die beiden Senate des BFH dabei mit unterschiedlichen Begründungen zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen. Die Erkenntnisse aus der Rechtsprechung des BFH lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Es bleibt weiterhin dabei, dass eine Eingliederung in ein anderes Unternehmen vorliegen muss. Die Einbeziehung nichtunternehmerischer Gebilde kann nicht erfolgen.
- Zumindest der V. Senat des BFH ist dabei geblieben, dass die bisher von der Rechtsprechung herausgebildeten Kriterien zur Eingliederung der Organgesellschaften zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken notwendig sind. Damit bleibt es derzeit bei einem Überordnungsverhältnis des Organträgers; ein einheitliches Unternehmen zwischen gleichgeordneten Schwestergesellschaften kann danach nicht in Betracht kommen. Insbesondere muss der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft verfügen und es muss im Regelfall eine personelle Verflechtung vorliegen. Der XI. Senat des BFH hat offensichtlich Zweifel an dieser Sichtweise, in Ermangelung einer Entscheidungserheblichkeit der Frage in den zu entscheidenden Fällen hat er dazu aber noch nicht abschließend Stellung nehmen müssen.
- Auch eine Personengesellschaft kann grundsätzlich als Organgesellschaft in ein übergeordnetes Unternehmen eingegliedert sein. Allerdings sind in dieser Frage die beiden Senate des BFH nicht zu einer einheitlichen Umsetzung gekommen. Während der V. Senat des BFH über eine extensive Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Eingliederung einer Personengesellschaft in ein übergeordnetes Unternehmen dann für möglich hält, wenn sich alle Anteile an der Personengesellschaft vollständig in der Hand des Organträgers oder anderer Organgesellschaften befinden, sieht der XI. Senat offensichtlich im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung nur die Möglichkeit eines einheitlichen Unternehmen im Rahmen einer GmbH & Co. KG-Struktur, indem die GmbH & Co. KG als juristische Person angesehen wird.
Da in den bisher vom BFH entschiedenen Fällen jeweils die Frage der Eingliederung einer KG in eine GmbH zu klären war, haben sich die Unterschiede in der Beurteilung der beiden Senate des BFH nicht in der Rechtsprechung ausgewirkt, sodass die Anrufu...