Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft liegt nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert ist. Umstritten ist, ob sich die Wirkungen der Organschaft nur auf juristische Personen beziehen können und ob die sich aus der bisherigen Rechtsprechung des BFH ergebenden Über- und Unterordnungsvoraussetzungen für die Eingliederung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbaren lassen.
Der EuGH hatte dazu entschieden, dass Art. 11 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der alleine juristische Personen in ein solches einheitliches Unternehmen eingegliedert werden können. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn die Regelung zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen und zur Vermeidung von Steuerhinterziehung oder -umgehung erforderlich und geeignet ist – dies muss jeweils das nationale Gericht prüfen. Darüber hinaus ergibt sich auch nicht das zwingende Über- und Unterordnungsverhältnis aus dem Gemeinschaftsrecht. Aber auch hier sind nationale Abweichungen möglich, wenn es der Verhinderung von missbräuchlichen Praktiken dient.
In der Folge des EuGH-Urteils haben sich beide Senate des BFH mit den Folgen für die nationale Anwendung auseinandersetzen müssen. Leider sind sie dabei nicht zu einheitlichen Ergebnissen gekommen. Die derzeitigen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Es bleibt weiterhin dabei, dass eine Eingliederung in ein anderes Unternehmen vorliegen muss. Die Einbeziehung nichtunternehmerischer Gebilde kann nicht erfolgen.
- Zumindest der V. Senat des BFH ist dabei geblieben, dass die bisher aus der Rechtsprechung herausgebildeten Kriterien zur Eingliederung der Organgesellschaften zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken notwendig sind. Damit bleibt es derzeit bei einem Überordnungsverhältnis des Organträgers; ein einheitliches Unternehmen zwischen gleichgeordneten Schwestergesellschaften kann danach nicht in Betracht kommen. Insbesondere muss der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft verfügen und es muss im Regelfall eine personelle Verflechtung vorliegen. Der XI. Senat des BFH hat offensichtlich Zweifel an dieser Sichtweise, in Ermangelung einer Entscheidungserheblichkeit der Frage in dem zu entscheidenden Fall hat er dazu aber noch nicht abschließend Stellung nehmen müssen.
- Auch eine Personengesellschaft kann grundsätzlich als Organgesellschaft in ein übergeordnetes Unternehmen eingegliedert sein. Allerdings sind auch in dieser Frage die beiden Senate des BFH nicht zu einer einheitlichen Umsetzung gekommen. Während der V. Senat des BFH über eine extensive Auslegung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG eine Eingliederung einer Personengesellschaft in ein übergeordnetes Unternehmen dann für möglich hält, wenn sich die Anteile an der Personengesellschaft vollständig in der Hand des Organträgers oder anderer Organgesellschaften befinden, sieht der XI. Senat offensichtlich im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung nur die Möglichkeit eines einheitlichen Unternehmens im Rahmen einer GmbH & Co. KG-Struktur, indem die GmbH & Co. KG als juristische Person angesehen wird.
Da in den bisher vom BFH entschiedenen Fällen jeweils die Frage der Eingliederung einer KG in eine GmbH zu klären war, haben sich die Unterschiede in der Beurteilung der beiden Senate des BFH nicht in der Rechtsprechung ausgewirkt, sodass die Anrufung des Großen Senats des BFH nicht notwendig war. Offen bleibt aber die Frage, wie in den Fällen zu verfahren ist, in denen keine GmbH & Co. KG-Struktur vorliegt. Hier ist wohl nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der Rechtsprechung des V. Senats eine Eingliederung denkbar.
Die Finanzverwaltung hat eine Arbeitsgruppe zur Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft gebildet, die auch die Konsequenzen aus der Rechtsprechung des BFH prüfen wird. Bis zu einer endgültigen Regelung sind die Entscheidungen des BFH nach der Rundverfügung der OFD Frankfurt/M. grundsätzlich nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden.
In einem Fall können allerdings nach der Verfügung der OFD Frankfurt/M. auch jetzt schon – wenn es die Unternehmer wünschen – die Ergebnisse der Rechtsprechung des BFH angewendet werden, wenn sich sowohl nach den Grundsätzen der Entscheidung des V. Senats wie auch denen des XI. Senats eine Organschaft zwischen Personengesellschaft und GmbH ergibt. Damit kann bei einer GmbH & Co. KG von einer Organschaft mit der GmbH als Organträger ausgegangen werden, wenn sich alle Anteile an der eingegliederten Personengesellschaft in der Hand des Organträgers oder anderer Organgesellschaften befinden und außerdem die notwendigen Eingliederungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Liegen bei einer GmbH & Co. KG die Voraussetzungen für eine Organschaft (mit GmbH als Organträger und KG als Organgesellscha...