Leitsatz
1. § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO, wonach zur Vertretung berufene Geschäftsführer Klage gegen einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erheben können, ist dahin zu verstehen, dass die Personengesellschaft als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer Klage gegen den Feststellungsbescheid erheben kann.
2. Ein zum Einspruchsverfahren der Gesellschaft fehlerhaft nicht hinzugezogener Gesellschafter kann sich hinsichtlich des Vorverfahrens i.S.d. § 44 Abs. 1 FGO auf das Einspruchsverfahren der Gesellschaft berufen. Die anders lautenden Entscheidungen des BFH vom 10.6.1997, IV B 124/96 (BFH/NV 1998, 14) und vom 30.3.1999, VIII R 16/99 (BFH/NV 1999, 1469) sind überholt.
3. Umgekehrt kann sich die fehlerhaft zum Einspruchsverfahren des Gesellschafters nicht hinzugezogene Gesellschaft hinsichtlich des Vorverfahrens auf das Einspruchsverfahren des nach § 352 AO einspruchsbefugten Gesellschafters berufen.
4. Wird ein Feststellungsbescheid gem. § 183 Abs. 2 AO allen Feststellungsbeteiligten bekannt gegeben, ist jeder Bekanntgabeempfänger einspruchsbefugt. Die Einspruchsbefugnis der Gesellschaft nach § 352 Abs. 1 AO bleibt davon unberührt.
Normenkette
§ 44 Abs. 1 FGO , § 48 FGO , § 183 Abs. 2 AO , § 352 AO , § 360 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Das FA hatte die Vercharterung einer Segelyacht durch die klagende GmbH & Co. KG als Liebhaberei beurteilt. Dementsprechend ergingen negative Gewinnfeststellungsbescheide, die gestützt auf § 183 Abs. 2 AO jeweils dem einzigen Kommanditisten B sowie der Komplementär-GmbH bekannt gegeben wurden. Zuvor ergangene GewSt-Messbescheide wurden aufgehoben. Der betreffende Bescheid war an B für die KG gerichtet.
Der Bevollmächtigte legte jeweils namens des B und der GmbH Einsprüche gegen die Gewinnfeststellungsbescheide ein. Betreffend GewSt-Messbetrag wurde der Einspruch unter Bezugnahme auf den an die KG gerichteten Bescheid für B eingelegt.
Die Einsprüche hatten überwiegend keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidungen betreffend Gewinnfeststellung waren an die GmbH und B gerichtet, die Einspruchsentscheidung betreffend GewSt-Messbetrag an die KG.
Das FG hielt die gegen alle Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidungen erhobene Klage der KG für unzulässig. In Bezug auf Gewinnfeststellung habe die KG kein vorheriges Einspruchsverfahren betrieben. Auch gegen den GewSt-Messbescheid sei der Einspruch nicht von der KG, sondern von B eingelegt worden. Die Einspruchsentscheidung betreffe deshalb in der Sache nicht die KG.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies das Verfahren zurück. Die Klage betreffend Gewinnfeststellung sei zulässig, weil sich die KG auf die Vorverfahren der als Bekanntgabeempfänger rechtsbehelfsbefugten Gesellschafter berufen könne. Die Klage betreffend GewSt-Messbescheid hätte bereits aus der Sicht des FG als zulässig behandelt werden müssen, weil dann eine Einspruchsentscheidung ohne zugrunde liegenden Einspruch an die KG ergangen wäre. Tatsächlich sei aber davon auszugehen, dass die KG den Einspruch eingelegt habe.
Hinweis
1. Immer wieder bestehen Missverständnisse über die formalen Anforderungen an Einsprüche bzw. Klagen in steuerlichen Angelegenheiten von Personengesellschaften. Deswegen sieht sich der BFH bisweilen veranlasst, die geltenden Rechtsgrundsätze ins Gedächtnis zu rufen und nochmals klarzustellen.
In Bezug auf die Klagebefugnis der Gesellschaft hinsichtlich der Gewinnfeststellung liegt eine solche Klarstellung noch nicht lange zurück. Sie war zuletzt im Beschluss vom 30.12.2003, IV B 21/01 (BFH-PR 2004, 200) erfolgt. Die hiesige Entscheidung knüpft daran an und wiederholt nochmals, dass die Personengesellschaft als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihren bzw. ihre Geschäftsführer Einspruch bzw. Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erheben kann.
2. Hinzu kommt aber etwas Neues: Die Gesellschaft kann Klage auch dann erheben, wenn nicht sie, sondern ein ebenfalls (z.B. nach § 352 Abs. 1 Nrn. 2-5 AO) einspruchsbefugter Gesellschafter erfolglos Einspruch erhoben hat. Für den umgekehrten Fall (Einspruch der Gesellschaft, Klage des Gesellschafters) war der BFH bereits zu einer entsprechenden Handhabung gekommen und hatte seine früher anders lautende Rechtsprechung aufgegeben (s. den erwähnten BFH-Beschluss vom 30.12.2003). Dann war es nur konsequent, nun auch bei einer Klage der Gesellschaft nach erfolglosem Einspruch des Gesellschafters von einem ausreichenden Vorverfahren i.S.d. § 44 Abs. 1 FGO auszugehen.
3. Im konkreten Fall gab es für die Gesellschafter allerdings keine Einspruchsbefugnis nach § 352 Abs. 1 Nrn. 2-5 AO. Sie waren jedoch Adressaten der Gewinnfeststellungsbescheide, weil das FA eine Einzelbekanntgabe nach § 183 Abs. 2 AO vorgenommen hatte. Wer Adressat eines Verwaltungsakts ist, muss aber das Recht haben, sich dagegen zu wehren. Deshalb sind Adressaten einer Einzelbekanntgabe immer auch selbst...