Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit einer Inhaberin eines Betriebs zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, die mehrere Pflegekräfte beschäftigt und rd. 50 Patienten betreut, ist das Arbeitszimmer.
Sachverhalt
Die Klägerin betreut mit ihrem ambulanten Pflegedienst rd. 50 Patienten. Sie betreibt den Pflegedienst in angemieteten Räumen im Erdgeschoss des Hauses in der T-Straße. Im Obergeschoss dieses Hauses wohnt die Klägerin in ihrer Eigentumswohnung und nutzt darin auch ein Zimmer für ihre betrieblichen Tätigkeiten.
In den Streitjahren 2002 bis 2005 machte sie auch Raumkosten für das in der Eigentumswohnung belegene betrieblich genutzte Zimmer als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt begrenzte den Abzug der Aufwendungen für das betrieblich genutzte (Arbeits-)Zimmer auf jährlich 1.250 EUR.
Entscheidung
Das FG entscheidet, dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer unbegrenzt abzugsfähig sind, denn es stellt den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit der Klägerin dar.
Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seine berufliche Tätigkeit teilweise in seinem Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, ist "Mittelpunkt" i. S. v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG, wenn er im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. D. h. der "Mittelpunkt" bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen.
Das Gericht hat die Überzeugung gewonnen, dass die Tätigkeit der Klägerin im häuslichen Arbeitszimmer den inhaltlichen Schwerpunkt ihrer betrieblichen Tätigkeit bildet und nicht der Teil der Tätigkeiten, der als häusliche Krankenpflege von ihr außer Haus ausgeübt wird. Denn ihre Tätigkeit ist dadurch geprägt, dass sie hauptsächlich als Unternehmerin und Arbeitgeberin von angestellten Pflegerinnen aktiv ist. Dies erfordert Überwachungs- und im Schwerpunkt Koordinationsarbeit. Demgegenüber hat die Tätigkeit im Außendienst deutlich weniger Gewicht.
Hinweis
Die Entscheidung ist zwar für Streitjahre vor Inkrafttreten des JStG 2007 ergangen. Gleichwohl hat sie auch für Veranlagungszeiträume ab 2007 Bedeutung, denn § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG lässt auch in seiner geänderten Fassung die volle Abzugsfähigkeit der Arbeitszimmeraufwendungen zu, wenn dies den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 27.04.2010, 13 K 4285/07