5.1 Neues Konzept für die Steuerung eines schnell wachsenden Dienstleisters
Am Beispiel eines schnell wachsenden Unternehmens aus dem Dienstleistungssektor soll aufgezeigt werden, welche Auswirkungen die bisher dargestellten Herausforderungen in einem konkreten Anwendungsfall haben und welche Lösungsansätze gewählt wurden.
Das Unternehmen wuchs von 150 Mio. EUR Umsatz im Jahr 2012 konstant auf derzeit knapp 400 Mio. EUR Umsatz und ist in seinem Segment eines der marktführenden Dienstleistungsunternehmen in Deutschland.
In Deutschland ist das Unternehmen an zahlreichen Standorten vertreten, expandierte in den letzten Jahren aber auch in das europäische Ausland. Das ursprüngliche Kerngeschäft wurde um weitere Business-Segmente erweitert. Neben dem organischen Wachstum wurden auch weitere Firmen hinzugekauft. In Deutschland basierte das Geschäft neben der zentralen Holding auf zahlreichen GmbHs; die Expansion ins Ausland brachte weitere legale Einheiten. Die Steuerung erfolgte bis vor wenigen Jahren durch Planung und Berichtswesen aus diesen legalen Einheiten heraus.
Vor 2 Jahren wurde ein neues Steuerungsmodell beschlossen, um das weitere Wachstum besser voranzutreiben. Es wurde entschieden, die Steuerung von den legalen Einheiten komplett abzukoppeln und in ein neues, zweidimensionales Steuerungssystem zu überführen. Für die Planung wurde eine Trennung in die Umsatzplanung und die Ergebnisplanung definiert. In beiden Prozessen gibt es unterjährig auch einen Forecast-Prozess, der beim Umsatz monatlich und beim Ergebnis quartalsweise durchgeführt wird.
Die bisherige Sicht der legalen Einheiten wird in die Dimensionen "Standort" und "Leistungssegment" geändert. Es gab bisher sowohl Überschneidungen zwischen den Standorten und den legalen Einheiten, als auch zwischen den Leistungssegmenten und legalen Einheiten. Die Loslösung von den legalen Einheiten stellt eine große, auch kulturelle Herausforderung für das gewachsene Unternehmen dar.
Abb 4: Abstimmung des Umsatzes für die Standorte
Die Besonderheit in diesem Steuerungsmodell ist, dass keine der beiden Matrix-Dimensionen eine Priorität hat. In der Konsequenz sind beide Verantwortliche eines Punktes in der Matrix aufgefordert, einen eigenen Plan zu erstellen und diesen mit dem jeweils anderen Verantwortlichen abzustimmen und sich auf einen finalen Plan-Wert zu einigen. Daraus entstehen im ersten Schritt 2 komplette Planungen für den gleichen Sachverhalt. Dies generiert zwar einen hohen Aufwand für die Planung, sorgt aber andererseits für die größtmögliche Zustimmung zum Endergebnis.
Im ersten Jahr entschied man sich, den neuen Planungsprozess mit Excel durchzuführen, da die meisten in Kap. 1 aufgeführten Argumente auch hier für eine Excel-Lösung sprachen. Das Know-how im Controlling war vorhanden und der Zeitdruck für eine Einführung sehr hoch. Für das Management ist oft nicht überschaubar, welche Auswirkungen eine solch tiefgreifende Entscheidung kurz vor dem Beginn der Planungsphase auf die IT-Planungsunterstützung hat.
5.2 Erfahrungen aus der Umsetzung mit Excel
Die Herausforderung in diesem Planungsprozess liegt in der parallelen Planung der Standortverantwortlichen nach Leistungssegmenten sowie der Leistungssegmentverantwortlichen nach Standorten. Jeder Planer plant in seiner Excel-Datei und hat die Aufgabe, sich an den Schnittstellen mit dem anderen Planer abzustimmen. In der Excel-Lösung kann dieser erste Abstimmungsprozess systemtechnisch nicht unterstützt werden.
Das Controlling hat für jeden Planer eine eigene Excel-Datei erstellt, in der Ausgangswerte, wie bspw. der aktuelle Auftragsbestand, bereits als Planungsgrundlage abgebildet waren. Nach einer ersten Planungsrunde wurden die Daten eingesammelt, konsolidiert und den Planern wieder per Excel zurückgesandt. Die Vorbereitung der Excel-Dateien, die Konsolidierung der Daten sowie die Rückmeldung an die Planer über Excel erforderte bereits einen sehr hohen manuellen Aufwand.
Im nächsten Zyklus hatten beide Verantwortliche an einem Kreuzungspunkt der Matrix aus Standorten und Leistungssegmenten den eigenen Wert und den Wert des jeweils anderen Planers. In diesem Schritt sollten, wenn möglich, die meisten Differenzen ausgeräumt werden.
Hier zeigt sich einer der großen Nachteile der dezentralen Excel-Lösung: Selbst wenn sich die beiden Planer auf einen gemeinsamen Wert geeinigt haben, war es nicht möglich diese Einigung zu dokumentieren und sofort beiden wieder zur Verfügung zu stellen. Jeder musste sich darauf verlassen, dass der andere den Wert einträgt, auf den man sich geeinigt hat.
Nach dem zweiten Zyklus sammelte das Controlling wieder alle Dateien ein und prüfte, an welchen Matrixpunkten noch keine Einigkeit bestand.
Danach wurde vom Controlling geprüft, ob die geplanten Umsätze zu den vorhandenen Kapazitäten passen und welche Wechselwirkung der Umsatzplan mit dem Personalplan hat. Der Grund: Im Dienstleistungsgeschäft sind die vorhandenen Personalkapazitäten der Engpass für die Leistungserbringung und damit auch für den realisierbaren Umsatz. Das Geschäftsmodell rechnet sich besonders dann gut, wenn die Kapazitäten gleichmäßig...