Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Vereinnahmt der i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG beteiligte Steuerpflichtige Zurückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG, erklärt er im Rahmen seiner Veranlagung aber keinen Veräußerungsgewinn, sondern legt dem FA nur eine Steuerbescheinigung über die zurückgezahlten Beträge vor, kann das FA einen ohne Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns ergangenen Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern, wenn ihm nachträglich bekannt wird, dass die zurückgezahlten Einlagen die Anschaffungskosten übersteigen.
2. Der i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG beteiligte Gesellschafter erzielt steuerbare Einnahmen aus § 17 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 EStG durch Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG nur, soweit diese die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigen.
Normenkette
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c, § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG, § 27 KStG
Sachverhalt
Der wesentliche Sachverhalt ist schon aus den Praxis-Hinweisen bekannt. K erwarb 2003 insgesamt 70 % GmbH-Anteile für 0,70 EUR. Im Anschluss an den Erwerb kam es zu einer Kapitalerhöhung. 2006 erhielt K aus dem steuerlichen Einlagekonto Ausschüttungen von 1,4 Mio. EUR. K machte in seiner Einkommensteuererklärung keine Angaben zu dieser Ausschüttung und erklärte auch keinen Gewinn. Er legte aber eine Steuerbescheinigung bei, in der die GmbH bescheinigte, K für das Jahr 2005 1,4 Mio. EUR aus dem steuerlichen Einlagekonto gezahlt zu haben. K wurde veranlagt, ohne dass ein Veräußerungsgewinn erfasst wurde. Erst durch eine Außenprüfung erhielt das FA Kenntnis vom Steuertatbestand des § 17 Abs. 4 EStG. Es änderte den Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und unterwarf nach Maßgabe des Halbeinkünfteverfahrens einen Veräußerungsgewinn der Beteuerung. Mit dem Vortrag, das FA habe doch alles gewusst, wehrte sich K gegen die Änderung. Er hatte damit in keiner Instanz Erfolg. Das FG (Sächsisches FG, Urteil vom 17.4.2012, 3 K 178/11, Haufe-Index 3205051) vertrat die Auffassung, das FA habe – weil K seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen sei – erst durch die Außenprüfung von der steuerbaren Einnahme erfahren.
Entscheidung
Der BFH bestätigte diese Entscheidung aus den Erwägungen, die in den Praxis-Hinweisen dargelegt werden.
Hinweis
Wenn der Steuerpflichtige K, der an einer GmbH qualifiziert beteiligt ist, seiner Steuererklärung eine Bescheinigung der GmbH über eine Auszahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto beifügt, aber keinen Veräußerungsgewinn erklärt – weiß das FA dann, dass K steuerbare Einnahmen erzielt hat?
1. Mit dem verfahrensrechtlichen Einstieg über § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO musste sich der BFH mit der Struktur des Ersatzsteuertatbestandes des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG beschäftigen. Wenn K zwar steuerbare Einnahmen, aber keine Erwerbsaufwendungen erklärt, könnte das FA diese schätzen oder aber – mangels Mitwirkung – die Einnahmen ohne Erwerbsaufwendungen steuerlich erfassen.
2. So geht das aber bei § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG nicht. Als Veräußerungsgewinn gelten Beträge, die aus dem steuerlichen Einlagekonto zurückgezahlt werden. Damit ist die Rückzahlung aber nicht stets identisch mit dem Gewinn. Zu einer steuerbaren Rückzahlung kommt es nur dann, wenn sie die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigt. Der übersteigende Teil – und nur er allein – ist steuerbare Einnahme. Wäre es anders, würde ja mit der Rückzahlung ein Verlust entstehen. Der Gesetzgeber wollte mit dem Ersatztatbestand aber nur negative Anschaffungskosten vermeiden, und zwar in Reaktion zum BFH-Urteil vom 20.4.1999, VIII R 44/96, BStBl II 1999, 698.
3. Sind die zurückgezahlten Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto also niedriger als die Anschaffungskosten, mindern sie die Anschaffungskosten der Beteiligung erfolgsneutral. Sie wirken sich erst aus, wenn K später einen Steuertatbestand nach § 17 Abs. 1 EStG oder einen Ersatztatbestand nach § 17 Abs. 4 EStG erfüllt.
4.Aus der Erkenntnis des materiellen Rechts löst sich auch die verfahrensrechtliche Frage: Das FA weiß mit der Erkenntnis des Rückzahlungsbetrags noch nicht, ob K steuerbare Einnahmen erzielt hat. Dazu ist die Kenntnis der Anschaffungskosten unabdingbar. Da diese dem FA unbekannt waren, durfte es ändern.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.2.2013 – IX R 24/12