Hinterziehung auch durch Dritte: Das FA wies zwar zutreffend darauf hin, dass auch die Hinterziehung eines Dritten für das Eingreifen der verlängerten Festsetzungsfrist i.S.d. § 169 Abs. 2 S. 2 AO genügen kann (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 169 AO Rz. 18 [10/2017] m.w.N.). Es ist also nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige selbst die Hinterziehungsvoraussetzungen erfüllt hat. Aber auch dann ist erforderlich, dass die Voraussetzungen der Hinterziehung kumulativ in der jeweiligen Person – in dem Fall des Dritten – erfüllt sind. Hier erfüllte das Handeln des Beraters jedoch bereits nicht den objektiven Tatbestand einer Hinterziehung.
Kein objektiver Tatbestand: Es ist durch das FA nicht dargelegt worden, dass der Berater den objektiven Tatbestand einer Hinterziehung durch positives Tun oder Unterlassen verwirklicht hat. Der Berater hat die Steuererklärung nicht selbst abgegeben und somit keine Angaben gegenüber dem FA gemacht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; vgl. BFH v. 29.10.2013 – VIII R 27/10, BStBl. II 2014, 295 = AO-StB 2014, 36; BayObLG v. 9.11.1993 – 4St RR 54/93, wistra 1994, 34 [35]). Auch trifft den Berater jedenfalls hier keine strafrechtliche Garantenpflicht, so dass er den Tatbestand auch nicht durch ein Unterlassen erfüllt haben kann. Ein Steuerberater unterliegt allein aufgrund seiner beruflichen Stellung nicht der gesetzlichen Erklärungspflicht seines Mandanten oder einer Pflicht aus § 153 AO, solange er nicht gesetzlicher Vertreter oder Verfügungsbefugter gem. §§ 34, 35 AO ist (vgl. Jäger in Klein, AO, 15. Aufl. 2020, § 370 Rz. 65). Es fehlt damit eine entsprechende Handlungspflicht (Garantenpflicht).
Beraterhinweis Ein Steuerberater kann allerdings im Einzelfall Verpflichteter gem. § 35 AO sein (z.B. manchmal in der Praxis zu sehen bei der Umsatzsteuer des Mandanten). Dazu ist z.B. eine besondere Vereinbarung erforderlich, dass der Steuerberater die Steuererklärung für seinen Mandanten abgibt und als ein Vertreter oder Verfügungsberechtigter auftreten soll.
Der BGH hatte bereits mit Beschluss vom 20.12.1995 entschieden, dass sich für einen Steuerberater aus der bloßen berufsrechtlichen Stellung keine strafrechtliche Garantenstellung und somit keine Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen herleiten lässt, wenn dieser bei der Erstellung der maßgeblichen Steuererklärung lediglich mitgeholfen und diese nach Kenntniserlangung von der Unrichtigkeit nicht gegenüber der Finanzbehörde korrigiert hat (BGH v. 20.12.1995 – 5 StR 412/95, juris, Tz. 47 a.E.). Nach der durch BMF, Schr. v. 23.5.2016 vertretenen Verwaltungsauffassung sind Bevollmächtigte, also insb. auch Steuerberater, die eine Erklärung vorbereiten, unterschreiben oder elektronisch übermitteln, nicht nach § 153 Abs. 1 AO zur Anzeige und Berichtigung verpflichtet (BMF v. 23.5.2016 – IV A 3 - S 0324/15/10001; IV A 4 - S 0324/14/10001, BStBl. I 2016, 490, Punkt 4). Die Annahme einer Garantenpflicht eines Steuerberaters würde zudem die Regelung des § 153 AO umgehen und besteht daher nicht. Die Rechtsprechung hierzu ist jedoch nicht immer klar und sollte künftig weiterhin beobachtet werden. Auch vertreten manche Staatsanwaltschaften gegenteilige Sichtweisen.
Im Ergebnis hat der Berater hier den objektiven Tatbestand einer Hinterziehung weder durch positives Tun noch durch Unterlassen erfüllt. Eine Hinterziehung eines Dritten im Rahmen des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO liegt daher nicht vor.
Kein Vorsatz: Auch war hier kein Vorsatz des Steuerberaters anzunehmen. Der Berater hat in seiner Vernehmung durch die Straf- und Bußgeldsachenstelle nachvollziehbar dargelegt, dass er die einkommensteuerliche Bedeutung des Anteilstausches für den Sohn übersehen hat. Zum Beweis wurde im FG-Verfahren das Protokoll über diese Zeugenvernehmung vorgelegt und die Vernehmung des Beraters zum Beweis der Tatsachen beantragt,
a) dass der Berater bei der Beratung von Sohn und Mutter im Rahmen der Anteilstransaktion in 2013 allein die schenkungssteuerliche Seite im Blick hatte und die einkommensteuerlichen Folgen auch für den Sohn aufgrund eines bloßen Versehens übersehen hat;
b) dieses Versehen dadurch begünstigt worden ist, dass im vorliegenden Fall im Rahmen der Anteilstransaktion keine Liquidität geflossen war, die auf die einkommensteuerliche Relevanz der Übertragung hingewiesen hätte;
c) dass im Jahr 2013 die Mutter aufgrund einer drohenden Verschärfung des Erbschaftssteuerrechts eine zügige Regelung der vorweggenommenen Erbfolge wünschte.
Die Vernehmung des Beraters als Zeugen konnte den Nachweis erbringen, dass er erst im Jahr 2019 seinen Beratungsfehler nach erneuter eigener Prüfung erkannte. Es war aufgrund der in 2013 gewünschten zügigen Regelung der vorweggenommenen Erbfolge und der (versehentlichen) gedanklichen Fokussierung auf die drohende erbschaftsteuerliche Verschärfung nachvollziehbar, dass dem Steuerberater "im Eifer des Gefechts" versehentlich der Beratungsfehler unterlaufen ist. Ein Vorsatz des Steuerberaters ist damit ausgeschlossen.
Leichtfertigkei...