1. Möglichkeit der Bescheidkorrektur
Korrekturvoraussetzungen: Eine Steuerfestsetzung kann nur dann geändert werden, wenn die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift (z.B. § 172 ff. AO) vorliegen und die Festsetzungsverjährung (§ 169 ff. AO) noch nicht eingetreten ist. Aufgrund der Nacherklärung des Sohnes sind dem FA Tatsachen neu bekanntgeworden, so dass die Voraussetzungen der Korrekturvorschrift gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO unproblematisch erfüllt sind. Der geänderte Steuerbescheid war jedoch wegen Festsetzungsverjährung aufzuheben. Die Regelverjährung von vier Jahren begann mit Ablauf des Jahres 2014, da der Sohn in diesem Jahr seine Erklärung für die ESt 2013 abgegeben hatte (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO). Damit trat Regelverjährung zum 31.12.2018 ein. Das FA hätte also nur dann die ESt 2013 ändern dürfen, wenn mindestens Leichtfertigkeit vorgelegen hätte, da sich dann die Verjährungsfrist von vier auf fünf Jahre verlängert hätte (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO; bei Vorsatz zehn Jahre).
Strafrechtsakzessorietät: Diese Regelung der verlängerten Festsetzungsverjährung ist strafrechtsakzessorisch. Für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung trägt die Finanzbehörde die vollständige Darlegungs- und Nachweislast. Zweifel im Sachverhalt und der rechtlichen Bewertung gehen zu Lasten der Finanzbehörde (BFH v. 5.3.1979 – GrS 5/77, BStBl. II 1979, 570; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 71 AO Rz. 8 [2/2022]). Der BFH hat diese Folge mit anderen Worten so umschrieben, dass auch im Besteuerungsverfahren für straf- und bußgeldrechtliche Vorfragen der sog. Zweifelssatz "in dubio pro reo" gilt (BFH v. 7.11.2006 – VIII R 81/04, DStR 2007, 648; zu dieser Unschuldsvermutung im Steuerrecht vgl. Kamps/Wulf, DStR 2003, 2015). Dies bedeutet, dass die behauptete leichtfertige oder vorsätzliche Steuerhinterziehung durch das FA substantiiert dargelegt werden muss und diesbezügliche Zweifel zu Lasten des FA gehen. Hierbei sind für eine Steuerhinterziehung sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand zweifelsfrei – ggf. im Einzelfall durch ein FG – festzustellen (Günther, AO-StB 2014, 36).
Diese Voraussetzungen für eine verlängerte Festsetzungsverjährung waren hier jedoch nicht erfüllt. Das FA hat die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes nicht dargelegt und trägt die Folgen, da sich die Steuerhinterziehung nicht ermitteln ließ.
2. Keine Hinterziehung durch den Sohn
Der objektive Tatbestand der Hinterziehung ist hier unproblematisch durch die Abgabe der unvollständigen Erklärung für die ESt 2013 durch den Sohn erfüllt. Der Rechtsstreit drehte sich im Kern um die Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes.
Keine Schuld des Sohnes: Ein schuldhaftes Handeln des Sohnes (subjektiver Tatbestand) der Hinterziehung in Form von Leichtfertigkeit oder Vorsatz) scheidet hier allerdings aus, weil er seinem Steuerberater sämtliche notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt hat und auf dessen Beratung vertraute und vertrauen durfte. So scheidet nach der BFH-Rechtsprechung ein Verschulden des Mandanten aus, wenn dieser seinem Berater alle Informationen zur Verfügung stellte und auf die Tätigkeit seines Beraters vertrauen durfte und vertraut hat (BFH v. 29.10.2013 – VIII R 27/10, BStBl. II 2014, 295 = AO-StB 2014, 36). Diese Voraussetzungen waren hier erfüllt.
Informationspflicht erfüllt: Die Besteuerungsgrundlagen befanden sich seit 2013 (Beratungsgespräch betreffend die Anteilstransaktion) in den Unterlagen des Steuerberaters. Dem Berater waren vor Abgabe der Einkommensteuererklärung des Sohnes für das Jahr 2013 die Umstände des Anteilstausches zwischen dem Sohn und Mutter, die zugrunde liegenden Planungen für eine vertragliche Gestaltung des Anteilstausches und damit der vorweggenommenen Erbfolge und die notariell beurkundete Vereinbarung einer entsprechenden Vertragsgestaltung bekannt. Somit waren dem Berater alle relevanten Umstände für eine zutreffende einkommensteuerliche Beurteilung bekannt.
Beraterhinweis Sollte in der Praxis streitig sein, ob dem Berater alle Informationen zur Verfügung standen, so kann diesbezüglich ein Beweisantrag gestellt werden. Hierzu kann die Vernehmung des Beraters als Zeuge beantragt werden zum Beweis der Tatsachen, dass z.B. dieser Berater seit vielen Jahren die steuerliche Vertrauensperson war und dass dem Berater vor Abgabe der Steuererklärung alle Informationen z.B. in Gestalt von bestimmten Unterlagen zur Verfügung gestellt worden sind. Der Berater muss dann als Zeuge von seiner Verschwiegenheit entbunden werden.
Vertrauen auf Beratung: Der Sohn durfte auf die Beratung im Jahr 2013 vertrauen und hat auch auf diese Beratung vertraut. Der Berater war für den Sohn seit vielen Jahren eine kompetente Vertrauensperson, auf die er vertraute und er durfte auch in diesem Fall auf die Beratung vertrauen. Evidente Anhaltspunkte für ein fehlerhaftes Verhalten des Beraters hatte der Sohn nicht, da die Beratung aus seiner Sicht gewissenhaft durch Gespräche der Familie mit dem Berater und mittels Vorlage sämtlicher Informationen vorbereitet wurde. Auch aus der beruflichen Position des Sohne...