Übergibt ein Freiberufler zu Lebzeiten seine Praxis, eine Teilpraxis oder einen Anteil an einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an einen potenziellen Erben, z. B. seinen Sohn oder seine Tochter, ist dies nicht nur eine unternehmensfreundliche, sondern auch eine familienfreundliche Lösung, weil die Praxis innerhalb der Familie bleibt.
Die Fortführung einer Praxis durch Verwandte, vor allem durch Kinder, ist immer noch eine häufige Form der Übergabe. Sie bietet unter steuerlicher Sicht regelmäßig günstige Gestaltungsmöglichkeiten, weil bei unentgeltlicher Übertragung keine stillen Reserven aufgedeckt, sondern nach § 6 Abs. 3 EStG die Buchwerte fortgeführt werden müssen. Das gilt auch für den Fall, dass die Praxis von mehreren Rechtsnachfolgern übernommen wird.
Die stillen Reserven im übertragenen steuerlichen Betriebsvermögen gehen dann ungeachtet der Subjektbezogenheit des Einkommensteuerrechts unversteuert auf den oder die Nachfolger über.
Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen erforderlich
Die unentgeltliche Übertragung einer Einzelpraxis ist nach § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG zwingend zum Buchwert vorzunehmen. Voraussetzung für die Buchwertfortführung ist auch hier, dass alle in funktionaler Hinsicht wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Praxisnachfolger übergehen. Zu den wesentlichen Grundlagen einer freiberuflichen Praxis gehören vor allem die immateriellen Wirtschaftsgüter der Praxis, wie Mandanten- oder Patientenstamm und Praxiswert. Auch das Praxisgebäude ist i. d. R. funktional und meist auch quantitativ eine wesentliche Betriebsgrundlage.
Übt der bisherige Praxisinhaber seine freiberufliche Tätigkeit in seinem bisherigen Wirkungskreis nicht nur geringfügig weiterhin aus, ist ein begünstigter – steuerneutraler – Vorgang nach § 6 Abs. 3 EStG nicht gegeben. Es kommt dann bei dem Übertragenden zur gewinnrealisierenden Praxisaufgabe. Die stillen Reserven aller übertragenen Wirtschaftsgüter müssen realisiert werden. Der entstehende Gewinn ist nicht nach §§ 16, 34 EStG begünstigt, weil nicht alle stille Reserven wegen der teilweisen Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen aufgedeckt worden sind.
Ist § 6 Abs. 3 EStG nicht anzuwenden und kommt es daher beim Übertragenden zur Gewinnrealisierung, liegt beim Erwerber spiegelbildlich Anschaffungsaufwand vor, soweit er – z. B. durch Übernahme der Betriebsschulden – teilentgeltlich erwirbt und die Trennungstheorie angewendet wird und im Übrigen eine nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 oder 6 EStG zu bewertende Einlage.
Aufnahme einer natürlichen Person in eine Praxis
Das Buchwertfortführungsgebot gilt auch bei der unentgeltlichen Aufnahme natürlicher Personen in bestehende Einzelpraxen sowie die unentgeltliche Übertragung von Teilen von Mitunternehmeranteilen auf natürliche Personen. § 6 Abs. 3 Satz 2 bestimmt des Weiteren, dass das Buchwertfortführungsgebot auch anzuwenden ist, wenn der bisherige Betriebsinhaber bzw. Mitunternehmer, sofern er beteiligt bleibt, Wirtschaftsgüter, die weiterhin zum Betriebsvermögen gehören, nicht überträgt, also sein Sonderbetriebsvermögen zurückbehält. In diesen Fällen darf der Übernehmer seinen Mitunternehmeranteil jedoch 5 Jahre lang nicht veräußern oder aufgeben, wenn eine Nachversteuerung vermieden werden soll.
Keine zwingende Übergangsbesteuerung bei unentgeltlicher Praxisübertragung
Klar ist, dass bei unentgeltlicher Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils i. S. v. § 6 Abs. 3 EStG (Einzelrechtsnachfolge oder Erbfolge) die sog. Übergangsbesteuerung unterbleiben kann, wenn der Rechtsnachfolger den Betrieb und die Einnahmenüberschussrechnung des Vorgängers fortführt. Wahlweise kann der Praxisnachfolger aber auch im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung zur Bilanzierung übergehen. Wenn der Rechtsnachfolger die Gewinnermittlungsart wechselt, muss bei ihm die Übergangsbesteuerung durchgeführt werden.