Leitsatz
Eine allgemeine, auf der Lebenserfahrung beruhende Regelvermutung dafür, dass bei einem Einzelunternehmen Zweit- und Drittfahrzeuge zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt werden, besteht nicht. Bei der Schätzung der privatanteiligen Kosten zu Zwecken der Umsatzsteuer kommt die 1 %-Regel grundsätzlich nicht zur Anwendung. Hält ein Einzelunternehmer mehrere, ausschließlich von ihm genutzte KFZ im Unternehmensvermögen, so ist - soweit der Unternehmer nicht das Gegenteil nachweist - davon auszugehen, dass alle KFZ auch privat genutzt werden.
Sachverhalt
Der Kläger erklärt als "IT Trainer/Dozent" in den Jahren 1996 bis 1999 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Die Tätigkeit ist mit zahlreichen Geschäftsreisen und Übernachtungen verbunden. Aus diesem Grund hält der Kläger mehrere hochpreisige PKWs in seinem unternehmerischen Vermögen, die er zum überwiegenden Teil durch Mietkauf erworben hat. Er macht jedoch nur für einen PKW einen privaten Nutzungsanteil in Form der 1 %-Methode geltend, weil, nach Aussage des Steuerberaters des Klägers, ein PKW freien Mitarbeitern des Klägers zur Verfügung gestellt wurde und alle anderen PKW ausschließlich unternehmerisch genutzt werden. Nach Feststellung der Betriebsprüfung, die für die Jahre 1995 bis 1997 durchgeführt wurde, ist diese Behauptung jedoch unzutreffend, da alle freien Mitarbeiter eigene PKW nutzten und die Kosten dem Kläger in Rechnung stellten. Daher wurden seitens der Betriebsprüfung die Kosten und Vorsteuern nur für einen PKW berücksichtigt, weil nach Meinung der Finanzverwaltung der Kläger nicht ausreichend belegt bzw. glaubhaft gemacht hat, dass mehr als ein PKW in wesentlichem Unfang betrieblich genutzt wurde. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Juli 1999 begehrt der Kläger u. a. einen Vorsteuerabzug für einen weiteren Pkw (4) in Höhe von 28.510 DM, den die Finanzverwaltung nicht zum Abzug zuließ.
Entscheidung
Der Kläger kann zwar die gesamte Vorsteuer für den streitigen PKW (4) abziehen, muss sich jedoch einen Privatanteil für die im Unternehmensvermögen befindlichen KFZ (PKW 2, 3 und 4) anrechnen lassen. Bezüglich der Feststellung der zum Vorsteuerabzug erforderlichen unternehmerischen Mindestnutzung der Fahrzeuge von 10 % gelten die allgemeinen Beweisregeln. Ein (ordnungsgemäß geführtes) Fahrtenbuch liefert wohl den klarsten Nachweis, ist aber keineswegs die einzige Erkenntnismöglichkeit. Der Senat führt aus, dass eine allgemeine, auf der Lebenserfahrung beruhende Regelvermutung dafür, dass bei einem Einzelunternehmen Zweit- und Drittfahrzeuge zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt werden, nicht besteht und widerspricht damit der Ansicht der Finanzverwaltung, die diese im BMF-Schreiben vom 29.5.2000, BStBl 2000 I S. 819 unter Tz 2.1.1 vertritt.
Hinweis
Speziell bei umfangreichen, umsatz- und gewinnträchtigen sowie stark reiseabhängigen persönlichen Tätigkeiten eines Unternehmers ist es nicht generell unplausibel, dass 2 Fahrzeuge (soweit eines davon wegen größerer Reparaturen längere Zeit ausfällt, u. U. auch 3 Fahrzeuge) ständig in nicht unerheblichem Umfang unternehmerisch genutzt werden können.
Allerdings ist, soweit im Einzelfall nichts anderes nachgewiesen wird, nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass je nach Bedarf jedes dieser Fahrzeuge sowohl beruflich als auch privat genutzt wird.
Die Revision wurde wegen der Frage zugelassen, wie bei Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG die Verwendung von Zweit- bzw. Drittfahrzeugen im Rahmen eines Einzelunternehmens festzustellen ist.
Link zur Entscheidung
FG des Saarlandes, Urteil vom 12.04.2005, 1 K 139/02