Bei der Günstigerprüfung kann der Stpfl. beantragen, dass anstelle der Anwendung von § 32d Abs. 1, 3 und 4 EStG (Versteuerung der Kapitalerträge mit dem Tarif nach § 32d Abs. 1 EStG), die nach § 20 EStG ermittelten Einkünfte aus Kapitalvermögen den Einkünften i.S.v. § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden. Dies ist nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG allerdings nur dann möglich, wenn die Einbeziehung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu einer niedrigeren Besteuerung (ESt einschl. Zuschlagsteuern SolZ und ggf. KiSt) führt als die Besteuerung mit dem Tarif nach § 32d Abs. 1 EStG.
Es handelt sich somit um eine gesetzlich verankerte Billigkeitsregelung (s.a. BFH v. 28.1.2015 – VIII R 13/13, BStBl. II 2015, 393). Die Anrechnung ausländischer Quellensteuer ist unter den Voraussetzungen von § 32d Abs. 5 EStG möglich und richtet sich in diesen Fällen trotz der Besteuerung mit der tariflichen Einkommensteuer nicht nach § 34c EStG. Der Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG kann nur für sämtliche inländische und ausländische Kapitalerträge gestellt werden und erfordert somit eine umfassende Deklaration. Bei zusammenveranlagten Ehegatten/Lebenspartnern kann der Antrag nur für sämtliche Kapitalerträge beider Ehegatten/Lebenspartner gestellt werden.
Beraterhinweis Nicht ausgeglichene Verluste bei inländischen Kreditinstituten können im Fall der Günstigerprüfung trotz der umfassenden Erklärungspflicht nur unter Vorlage der Verlustbescheinigung nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG berücksichtigt werden.
Erstmalige Erfüllung der Voraussetzungen der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nach Eintritt der Bestandskraft: Der BFH hat mit dem im BStBl. veröffentlichten Urteil v. 14.7.2020 (BFH v. 14.7.2020 – VIII R 6/17, BStBl. II 2021, 92 = ErbStB 2021, 36 [Anemüller]) entschieden, dass die Festsetzung der Steuer in einem Änderungsbescheid nach Eintritt der Bestandskraft, die aufgrund der im Änderungsbescheid berücksichtigten Besteuerungsgrundlagen erstmals eine erfolgreiche Antragstellung gem. § 32d Abs. 6 EStG ermöglicht, ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist, das einen korrekturbedürftigen Zustand auslöst. Antrag auf Günstigerprüfung selbst stellt kein rückwirkendes Ereignis dar: Zu beachten bleibt, dass der Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG selbst kein rückwirkendes Ereignis darstellt. Vielmehr kann der Antrag (erstmals) gestellt werden, sofern die Voraussetzungen einer Änderungsnorm (hier: § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) erstmalig erfüllt sind. Der Erlass eines Änderungsbescheides zur Einkommensteuer kann zu einem veränderten Sachverhalt führen, da die Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte i.R.d. Ermittlung des zu versteuernden Einkommens zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führt. Geänderter Einkommensteuerbescheid als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO: Der Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheides wirkt für den Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG als rückwirkendes Ereignis. Das gilt zumindest dann, wenn aufgrund des geänderten Einkommensteuerbescheides erstmalig die Voraussetzungen des § 32d Abs. 6 EStG erfüllt sind und sich eine niedrigere Einkommensteuer ergibt.
Nacherklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen i.R. einer Günstigerprüfung unter Berücksichtigung groben Verschuldens i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO: In der Entscheidung v. 25.3.2021 (BFH v. 25.3.2021 – VIII R 7/18, BFH/NV 2021, 1113 = EStB 2021, 377 [Sterzinger]) hat der BFH seine bisherige Rspr. bestätigt und entschieden, dass in den Vergleich, ob die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zu einer höheren (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder einer niedrigeren (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) Steuer führt, i.R.d. Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht nur die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag abgegoltene Einkommensteuer einzubeziehen ist (vgl. BFH v. 12.5.2015 – VIII R 14/13, BStBl. II 2015, 806 = ErbStB 2015, 314 [Günther]). Anzurechnende Abzugsbeträge sind ausweislich der o.g. Entscheidung zumindest dann in den Vergleich einzubeziehen, wenn die Einbeziehung der nacherklärten Kapitalerträge in die Veranlagung und die damit verbundene erhöhte Steuerfestsetzung nicht das Ziel des Änderungsbegehrens, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Erstattung der inländischen Abzugsbeträge ist. Eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids kann in diesen Fällen nur nach Maßgabe des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen.
Beraterhinweis In einen entspr. Vergleich sind auch die mit den nacherklärten Kapitalerträgen in Zusammenhang stehenden, anrechenbaren ausländischen Steuerbeträge und EU-Quellensteuern einzubeziehen, deren Anrechnung und Erstattung erreicht werden soll. Auch in diesem Fall ist die begehrte Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nur unter den Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zulässig.