Leitsatz
Ausländische Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, beeinflussen bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht den Steuersatz. Der Progressionsvorbehalt nach § 32 b Absatz 1 Nr. 2 EStG kommt u. a. zur Anwendung, wenn in einem Kalenderjahr zeitweise unbeschränkte Steuerpflicht und im Übrigen keine Steuerpflicht besteht. Nach Auffassung des FG Hamburg ist die Rechtsnorm sowohl mit DBA-Recht als auch mit EG-Recht vereinbar; ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Absatz 1 GG liegt nicht vor.
Sachverhalt
Im Urteilsfall stritten die Beteiligten über die Anwendbarkeit des besonderen Steuersatzes nach § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Steuerpflichtigen waren vom 1.1.1996 bis 31.10.1996 ausschließlich in Ungarn ansässig und steuerpflichtig; in dieser Zeit bezogen sie keine Einkünfte in Deutschland. Ab November 1996 lebten sie in Deutschland, wo der Ehemann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte. Die Eheleute wurden im Streitjahr zusammenveranlagt. Bei Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigte das Finanzamt ausländische Einkünfte aus 1996. Die Steuerpflichtigen vertraten die Auffassung, die Anwendung des Progressionsvorbehaltes sei mit dem DBA-Ungarn nicht vereinbar und sei zudem ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zulässig. Die Rechtsnorm führe zu einer unzulässigen Benachteiligung der nur zeitweise unbeschränkt Steuerpflichtigen im Vergleich zu beschränkt Steuerpflichtigen. Zudem verstoße sie gegen die Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit nach dem EG-Vertrag, die wegen der in Artikel 24 OECD-MA vorgesehenen Gleichbehandlung auch bei Nicht-EG-Bürgern zu berücksichtigen sei. Nach Ansicht des Finanzamtes ist § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG in allen Fällen zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht anzuwenden. Ein Verstoß gegen das DBA-Ungarn scheitere am Anwendungsbereich. Ferner gehe es nicht um die Besteuerung der im Zeitraum bis 31.10.1996 in Ungarn erzielten Einkünfte, sondern lediglich um die Bestimmung des Steuersatzes für die in der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland bezogenen Einkünfte. Dabei werde die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigt, die auch durch die ausländischen Einkünfte geprägt sei. Somit verstoße die Rechtsnorm des § 32 b EStG nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, sondern entspreche gerade dem aus Art. 3 GG hergeleiteten Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ferner entspricht die Beurteilung nach Auffassung des Finanzamtes dem BFH-Urteil vom 9.12.2001.
Entscheidung
Das FG Hamburg stimmt der Rechtauffassung des Finanzamtes zu. Die Formulierung des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG spreche dafür, dass die Vorschrift in ihrem weiten Wortlaut nicht nur in den Fällen anzuwenden sei, in denen im Verlauf eines Kalenderjahres zeitweise unbeschränkte Steuerpflicht und zeitweise beschränkte Steuerpflicht besteht, sondern auch in den Fällen, in denen zeitweise unbeschränkte Steuerpflicht und im Übrigen keine Steuerpflicht besteht.
Um Steuerpflichtigen keine Steuersatzvorteile durch Aufteilung ihrer Einkünfte auf mehrere Staaten zu gewähren, muss der Steuersatz für das gesamte Kalenderjahr die weltweite Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigen. Das FG Hamburg verneint einen Verstoß gegen das DBA-Ungarn. Zielsetzung der DBA sei die Vermeidung einer doppelten Besteuerung von Einkünften in Fällen, in denen ein Staat als Ansässigkeitssaat und ein anderer Staat als Quellenstaat anzusehen sei. Im vorliegenden Fall war für die Zeit bis 31.10.1996 allein Ungarn Ansässigkeits- und Quellenstaat und Deutschland jeweils für die Zeit danach. Somit sei das DBA Ungarn im Urteilsfall nicht anwendbar. Ferner obliegt nach Ansicht des FG Hamburg die Steuersatzbestimmung und somit das Tarifrecht dem nationalen Recht.
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Absatz 2 GG sei nicht gegeben. Vielmehr sorgt die Regelung des § 32 b Abs. 1 Nr. 2 EStG nach Rechtsauffassung des FG Hamburg für eine Umsetzung des Grundsatzes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Vergleich zwischen ganzjährig und zeitweise unbeschränkt Steuerpflichtigen. Die weiter gehende Anwendung des Progressionsvorbehaltes bei nur zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht gegenüber den Fällen nach § 32 b Abs.1 Nr. 3 EStG bei ganzjährig unbeschränkter Steuerpflicht rechtfertige sich aus der Tatsache, dass in Fällen des Zuzugs oder Wegzugs im Kalenderjahr typischerweise damit zu rechnen ist, dass außerhalb der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht für die Leistungsfähigkeit bedeutsame Einkünfte erzielt werden und die während der unbeschränkten Steuerpflicht bezogenen Einkünfte nur einen Teil des gesamten Jahreseinkommens ausmachen. § 32 b EStG verstoße auch nicht deshalb gegen Art. 3 GG, weil bei beschränkt Steuerpflichtigen kein Progressionsvorbehalt anzuwenden ist. Im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht handele es sich bei der be...