Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Ein Psychotherapeut, der über keinen nationalen Abschluss, aber über das "European Certificate of Psychotherapy" verfügt, erbringt nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreite Umsätze. Ein berufsqualifizierender Abschluss eines anderen EU-Mitgliedstaats reicht aus.
Sachverhalt
Der Kläger war in den streitbefangenen Jahren unter anderem als Psychotherapeut tätig, verfügte aber nicht über eine abgeschlossene inländische Hochschulausbildung als Psychologischer Psychotherapeut im Sinne des Psychotherapiegesetzes. Im Kalenderjahr 1999 stellte er einen Antrag auf Mitgliedschaft im Europäischen Verband für Psychotherapie. Dieser Antrag wurde vom Deutschen Dachverband für Psychotherapie noch in 1999 befürwortet. Im Februar 2000 erteilte der Europäische Verband für Psychotherapie dem Kläger das "European Certificate of Psychotherapy". Darin wird bescheinigt, dass der Kläger eine Ausbildung entsprechend den Regeln des Europäischen Verbands für Psychotherapie absolviert hat.
Nach einer Betriebsprüfung unterwarf das Finanzamt sämtliche Umsätze aus dem Bereich der Psychotherapie der Umsatzsteuer und bezweifelte, dass das vorgelegte Zertifikat tatsächlich den Abschluss einer Ausbildung dokumentiere.
Entscheidung
Das Gericht hat der Klage teilweise stattgegeben, soweit durch das Zertifikat die Voraussetzungen für den Nachweis der Berufskunde gegeben sind. Unstrittig ist, dass Psychologische Psychotherapeuten, die über eine abgeschlossene (nationale) Ausbildung verfügen, eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 14 UStG ausüben, die zur Steuerbefreiung der Umsätze führt.
Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger mit dem European Certificate of Psychotherapy den Nachweis seiner beruflichen Qualifikation als Psychotherapeut erworben. Zwar verfügt der Kläger auch weiterhin nicht über einen nationalen Abschluss. Dies ist aber nicht erforderlich, wenn er stattdessen über einen berufsqualifizierenden Abschluss eines anderen EU-Mitgliedstaats verfügt, der qualitativ mit dem nationalen Abschluss im Wesentlichen vergleichbar ist. Nach den Statuten des European Certificate of Psychotherapy sind die Ausbildungsvoraussetzungen mit den nationalen Voraussetzungen vergleichbar. Dass nach nationalen Vorschriften unter anderem eine Berufstätigkeit von 4.200 Stunden, nach dem European Certificate of Psychotherapy eine solche von 3.200 Stunden nachzuweisen war, sah das Gericht noch als im Wesentlichen vergleichbar an.
Hinweis
Eine der Voraussetzungen für eine steuerfreie Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 UStG ist - auch nach der Anpassung der gesetzlichen Vorschriften in § 4 Nr. 14 UStG zum 1.1.2009 -, dass der Psychotherapeut über eine entsprechende Qualifikation verfügt. Allerdings kann eine vergleichbare europäische Qualifikation national anerkannt werden.
Zu beachten ist aber, dass das Gericht steuerbefreite Umsätze erst ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Verleihung des europäischen Zertifikats angenommen hatte. Der Antrag auf Erteilung des Zertifikats oder die Befürwortung durch den nationalen Dachverband war noch nicht ausreichend, um die Umsätze als steuerfreie Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 UStG zu qualifizieren.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.04.2009, 16 K 113/08