Es lassen sich als unterschiedliche Formen von Qualifikationskonflikten unterscheiden[1]:

  • Positiver Qualifikationskonflikt: Beide Vertragsstaaten beanspruchen das Recht zur Besteuerung eines Sachverhalts. Im Ergebnis kommt es trotz des Vorliegens eines DBA zu einer Doppelbesteuerung.
  • Negativer Qualifikationskonflikt: Jeder der Vertragsstaaten billigt das Besteuerungsrecht dem jeweils anderen zu. Im Ergebnis kommt es dabei zu einer Nicht-Besteuerung oder zumindest zu einer deutlich geringeren Besteuerung, weil weder der Quellen- noch der Wohnsitzstaat besteuern.

Entscheidend für das Entstehen von Qualifikationskonflikten ist die eigenständige Auslegung von DBA durch jeden Vertragsstaat. Eine weitere Ursache besteht im Verweis in Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf die Vorschriften des nationalen Rechts zur Auslegung von Begriffen, die im Abkommen nicht definiert sind. Hieraus folgt, dass ein unterschiedliches Begriffsverständnis der Staaten eine abweichende Qualifikation nach sich zieht. Hierbei handelt es sich letztlich um eine Folge der Unmöglichkeit, eine umfassende Kodifikation im Rahmen des Abkommens vorzunehmen. Dieses Problem stellt sich jedoch nicht nur bei der Bestimmung von Begriffen. Vielmehr werden z. B. die Ermittlung der Einkünfte (mit Ausnahme der Festschreibung des Fremdvergleichsgrundsatzes zwischen Stammhaus und Betriebsstätte et vice versa) und die Einkünfteabgrenzung zwischen international verbundenen Unternehmen im Abkommensrecht nicht geregelt. Hieraus resultiert die Notwendigkeit des Rückgriffs auf das nationale Recht der Anwenderstaaten. Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es hier zu Qualifikationskonflikten kommt.

Außerdem können weitere Schwierigkeiten dadurch entstehen, dass das Abkommensrecht eine vom nationalen Recht der Anwenderstaaten losgelöste Terminologie verwendet. So wird zwar sowohl in Art. 15 OECD-MA als auch in § 19 EStG von unselbstständiger bzw. nichtselbstständiger Arbeit gesprochen, doch handelt es sich hierbei nicht um deckungsgleiche Begriffe. Vielmehr enthalten die Abkommen eine eigene Klassifizierung. Dabei gibt das Abkommensrecht kaum eigenständige Definitionen vor, sodass regelmäßig ein Rückgriff auf das nationale Recht unvermeidbar bzw. in Art. 6 Abs. 2 und Art. 10 Abs. 3 OECD-MA sogar ausdrücklich vorgesehen ist.

[1] Eingehend Strunk/Kaminski, in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG, DBA, Einl. OECD-MA, Rz. 54ff.

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