Eine Qualifikationsverkettung hieße, dass die Wertungen des anderen Staats zu übernehmen sind. Dies würde z. B. bedeuten, dass die Qualifizierung einer Gesellschaft als Kapitalgesellschaft durch den anderen Vertragsstaat auch für Zwecke seiner Besteuerung zu übernehmen wäre. Eine solche Qualifikationsverkettung erfolgt grundsätzlich nicht. Vielmehr trifft jeder Staat seine eigene Wertung, und zwar unabhängig von der Vorgehensweise im anderen Staat.
Art. 3 Abs. 2 OECD-MA verweist für die Auslegung eines Begriffs des DBA auf das Recht des Anwenderstaats, wenn sich aus dem Abkommen oder aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt. Die Reichweite dieses Verweises ist sehr umstritten. Hierbei handelt es sich nicht um eine Qualifikationsverkettung, weil lediglich eine einseitige Bezugnahme erfolgt. Hingegen wird keine für beide Staaten verbindliche Auslegung vorgenommen.
Zur Lösung von Qualifikationskonflikten ist – zurückgehend auf Déry/Ward – die Auffassung vertreten worden, dass eine weitgehende Bindung an die Qualifikation nach dem Recht des Quellenstaats bestehen soll. Hierbei wird auf den Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 OECD-MA verwiesen, nach dem "diese Einkünfte … im anderen Vertragsstaat besteuert werden können". Die OECD ist dieser Auffassung zunächst in ihrem Bericht zu den Personengesellschaften und später auch im OECD-MK für den Fall gefolgt, dass die abkommensrechtliche Qualifikation im Quellenstaat durch dessen originär innerstaatliches Recht ausgelöst wird.
Gegen diese Vorgehensweise sind beachtliche Bedenken vorgebracht worden. Deren Kernpunkte sind:
- Der Wortlaut von Art. 23 Abs. 1 OECD-MA ist nicht zwingend i. S. d. vorgeschlagenen Interpretation auszulegen. Vielmehr enthält Art. 23 OECD-MA Regelungen, wie der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung vermeiden soll. Daher erscheint es zumindest genauso nahe liegend, auf das Recht des Ansässigkeitsstaats abzustellen.
- Der (wesentliche) Vorteil der Freistellungsmethode besteht darin, dass der Wohnsitzstaat keine Untersuchungen im Quellenstaat vornehmen muss. Sofern der o. g. Interpretation gefolgt würde, wäre dieser Vorteil nicht mehr gegeben.
- Es gibt für die oben vertretene Auffassung keine Rechtsgrundlage, wenn sich eine Freistellung bereits aus dem Einkunftsartikel ergibt, sodass ein Rückgriff auf den Methodenartikel nicht erforderlich ist.
- Die Lösung von Qualifikationskonflikten zulasten des Steueraufkommens des Ansässigkeitsstaats könnte vom Quellenstaat zu einer Ausdehnung seiner Besteuerungsrechte missbraucht werden. Damit würde die eigentlich intendierte Zielsetzung – die Verringerung von Qualifikationskonflikten – in ihr Gegenteil verkehrt.
In einigen Fällen nehmen die DBA jedoch selber eine Qualifikationsverkettung vor. Dies geschieht etwa in Art. 6 Abs. 2 S. 1 OECD-MA. Dort wird erläutert, was als unbewegliches Vermögen i. S. v. Art. 6 OECD-MA zu verstehen ist und die Begriffsdefinition des nationalen Rechts des Belegenheitsstaats zum Vertragsgegenstand gemacht. Folglich ist sein Verständnis des Ausdrucks "unbewegliches Vermögen" auch für den Ansässigkeitsstaat relevant. Damit wird ein verbindliches Verständnis für beide Vertragsstaaten festgeschrieben. Hierdurch soll eine einheitliche Anwendung des DBA sichergestellt und zugleich das Entstehen einer Nicht-Besteuerung infolge von Qualifikationskonflikten verhindert werden. Eine ähnliche Qualifikationsverkettung nimmt das OECD-MA beim Begriff Dividenden vor. Dort wird für den Begriff Dividende i. S. v. Art. 10 OECD-MA in dessen Abs. 3 auf das Recht des Staats verwiesen, "in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist".