Leitsatz
Zur Vollbeendigung einer KG bei Insolvenz von Gesellschaft und ihrer Gesellschafter (sog. Simultaninsolvenz).
Auch ein zu Unrecht zum Klageverfahren (hier: Anfechtung eines Gewinnfeststellungsbescheids) Beigeladener kann durch das finanzgerichtliche Urteil beschwert und deshalb befugt sein, Revision einzulegen.
Gehört eine 100%ige Beteiligung an einer GmbH zum Betriebsvermögen, kann ein Auflösungsgewinn nach dem Realisationsprinzip auch vor Ablauf der Sperrfrist nach § 73 GmbHG anzusetzen sein. Ob in der Verletzung der Sperrfrist ein Missbrauch i.S.v. § 42 AO zu sehen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Normenkette
§ 42 AO, § 16, § 17 EStG, § 48, § 60, § 68 FGO, § 73 GmbHG, § 243, § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB
Sachverhalt
Zwischen der Klägerin zu 1, einer GmbH & Co. KG, als Besitzgesellschaft, und der X-GmbH als Betriebsgesellschaft bestand eine Betriebsaufspaltung. Die KG war Alleingesellschafterin der X-GmbH. Nach Beendigung der Betriebsaufspaltung beschloss die Klägerin, die X-GmbH zum 30.6.1996 aufzulösen. Die X-GmbH gab den gesamten Betrieb an die Klägerin zurück, die ihn im eigenen Namen fortsetzte und die Geschäftspartner von der Umstrukturierung unterrichtete. Im Dezember 1996 beschloss die Klägerin die Beendigung der Liquidation. Sie erklärte für 1996 einen tarifbegünstigten Liquidationsgewinn.
Das FA vertrat hingegen die Ansicht, der Auflösungsgewinn sei frühestens 1997 zu erfassen. Es lehnte auch die beantragte Änderung des Feststellungsbescheids nach § 164 Abs. 2 AO ab. Während des Klageverfahrens wurde über das Vermögen der KG und kurze Zeit später der Y-GmbH als Komplementärin sowie der 1998 an die Stelle des ausgeschiedenen Kommanditisten, des Beigeladenen zu 2, getretenen X-AG & Co. KG, ein Insolvenzverfahren eröffnet.
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück.
Er verneinte eine Vollbeendigung der Klägerin und einen damit verbundenen Übergang der Beteiligtenstellung sowie der Prozessführungsbefugnis von der Personengesellschaft auf die von dem angegriffenen Gewinnstellungsbescheid für 1996 beschwerten Gesellschafter. Zwar sehe der Gesellschaftsvertrag das Ausscheiden derjenigen Gesellschafter, über deren Vermögen ein Konkursverfahren eröffnet worden sei, vor. Vorliegend wären somit bis auf die beigeladene Kommanditistin zu 3 sämtliche Gesellschafter ausgeschieden und die Klägerin somit ohne Liquidation beendet.
Abweichend legt der BFH die gesellschaftsvertragliche Regelung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch über das Vermögen der Klägerin indes dahingehend aus, dass die übrigen Gesellschafter nicht ausgeschieden seien. Die Regelung entspreche inhaltlich § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB i.d. ab 1998 geltenden Fassung, die eine Fortsetzung der Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern gewährleisten solle. Der Zweck der Fortsetzungsklausel werde aber in Fällen einer sog. Simultaninsolvenz – wie im Streitfall – verfehlt, sodass eine teleologische Reduktion geboten sei.
Das Insolvenzverfahren bzgl. der Klägerin berühre das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren nicht, da seine steuerlichen Folgen die Gesellschafter persönlich betreffe. Deshalb sei auch das Verfahren nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen.
Obwohl die Klägerin fortbestehe und nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. FGO die Beigeladenen zu 2 und 3 damit eigentlich von einer eigenen Prozessführung ausgeschlossen seien, hätten sie trotz der Rechtswidrigkeit ihrer Beiladung (vgl. § 60 Abs. 3 Satz 2 FGO) ihrerseits Revision einlegen dürfen. Sie seien auch beschwert, weil sie von den festgestellten Besteuerungsgrundlagen, nämlich der letztmals im VZ 1996 zulässigen Tarifbegünstigung des gesamten Auflösungsgewinns, unmittelbar selbst betroffen seien. Der BFH geht schließlich nicht von einem Verpflichtungsbegehren auf Änderung des Erstbescheids nach § 164 Abs. 2 AO aus, sondern von einem im Weg einer zulässigen Klageänderung umgestellten Anfechtungsbegehren hinsichtlich des den Vorbehalt der Nachprüfung aufhebenden, im Jahr 2002 erlassenen Feststellungsbescheids, der gem. § 68 FGO neuer Verfahrensgegenstand geworden sei.
In der Sache teilt der BFH nicht die Auffassung des FG, der Auflösungsgewinn sei erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der X-GmbH realisiert. Allerdings weist der BFH das FG für den 2. Rechtsgang an, die um 9 Monate vor Ablauf des Sperrjahrs vorgezogene Vermögensauskehrung unter dem Aspekt des Gestaltungsmissbrauchs zu untersuchen. Sofern keine außersteuerlichen Gründe von anzuerkennendem Gewicht vorlägen, sei der Aufgabegewinn gem. § 42 AO dem VZ 1997 zuzuordnen.
Hinweis
1. Entscheidend war im Streitfall, ob ein Auflösungsgewinn noch dem Streitjahr 1996 oder erst 1997 zuzurechen war. Zum 1.1.1997 trat nämlich eine Neuregelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 2. Halbs. EStG durch das JStG 1997 in Kraft. Danach sind – ebenso wie bereits zuvor für im Privatvermögen gehaltene Anteile (vgl. § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG) – die Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG, und damit auch die Auskehrung eines Ab...