OFD Erfurt, Verfügung v. 8.5.1998, S 0550 A - 01 - St 22

 

1. Allgemeines

Die zum 1.1.1999 in Kraft tretende Insolvenzordnung (InsO) ersetzt das derzeit geltende Gesamtvollstreckungsrecht. Nachfolgend wird ein erster Überblick über die wesentlichen Neuerungen gegeben:

Das neue Insolvenzrecht beinhaltet neben den bisherigen Liquidationsregelungen als wesentliche neue Elemente

  • die Abwicklung des Verfahrens nach einem Insolvenzplan,
  • das Verbraucherinsolvenzverfahren,
  • die Restschuldbefreiung und
  • die Eigenverwaltung.
 

2. Insolvenzverfahren (Liquidation und Sanierung)

Das Insolvenzverfahren ersetzt das bisherige Gesamtvollstreckungsverfahren. Durch verschiedene Verfahrensneuerungen soll eine wesentlich frühere Verfahrenseröffnung erreicht werden, in dem insolvente Unternehmen – soweit marktwirtschaftlich sinnvoll möglichst saniert, ggf. auch – wie bisher – liquidiert werden. Die Anzahl der Verfahren wird sich gegenüber dem derzeitigen Gesamtvollstreckungsrecht, das dazu geführt hat, daß ein Großteil der beantragten Verfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse nicht eröffnet werden, deutlich erhöhen. Ein für die Finanzverwaltung wesentliches Merkmal des neuen Insolvenzrechts ist einerseits die deutliche Stärkung der Gläubigerrechte (Gläubigerautonomie), andererseits ist eine bevorrechtigte Befriedigung von Abgabenforderungen nicht mehr vorgesehen.

Die Erhaltung und Sanierung des insolventen Unternehmens soll nach der InsO durch einen vom Schuldner oder dem Verwalter auszuarbeitenden Insolvenzplan erreicht werden, an dessen Prüfung und Verabschiedung auch die Gläubiger beteiligt sind. Darin kann die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der lnsolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens geregelt werden. Sieht der Insolvenzplan eine nur anteilige Befriedigung der Insolvenzgläubiger vor, wird der Schuldner von seinen restlichen Verbindlichkeiten befreit, soweit nicht die Wiederauflebensklausel des § 255 InsO wegen mangelhafter Planerfüllung greift. Über den Insolvenzplan stimmen die Gläubiger in zu bildenden Gruppen ab. Die Abstimmung ist nach Kopf- und Forderungsmehrheit durchzuführen. Bei – in Abgabenangelegenheiten häufig vorkommenden – bestrittenen Ansprüchen besteht grundsätzlich kein Stimmrecht, es sei denn, die in der Gläubigerversammlung erschienenen Gläubiger und der Verwalter haben sich über das Stimmrecht geeinigt.

Die Wahrung der Interessen der Finanzverwaltung erfordert somit schon in diesem Stadium des Verfahrens die Beteiligung der Vollstreckungsstellen an den Gläubigerversammlungen sowie ggf. die Mitgliedschaft in den Gläubigerausschüssen, um auf die Plangestaltung Einfluß nehmen zu können. Hierfür bedarf es einer intensiven Beschäftigung sowohl mit dem einzelnen Steuerfall als auch mit dem Insolvenzplan und den vom Insolvenzverwalter oder Schuldner zu erstellenden Vermögens- und Liquiditätsübersichten. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das in das Insolvenzrecht neu aufgenommene Obstruktionsverbot, wonach die Minderheit der Gläubiger in den einzelnen Gruppen kein unbeschränktes Vetorecht gegen einen für die Mehrheit der Gläubiger vorteilhaften Plan hat. Beschließt die Mehrheit der übrigen Gruppen – z.B. Lieferanten oder Kreditinstitute – einen Plan zum Nachteil der FinVerw kann sich diese hiergegen nur sehr eingeschränkt zur Wehr setzen.

Nach Abschluß des Insolvenzverfahrens bleiben die nicht erfüllten Verbindlichkeiten bestehen, soweit das Insolvenzgericht nicht in einem Insolvenzplan bei dessen ordnungsgemäßer Durchführung etwas davon Abweichendes beschlossen hat. Die vom Gericht auf Antrag des Schuldners angeordnete Eigenverwaltung hat den Sinn, Erfahrungen und unternehmerische Kenntnisse des Schuldners insbesondere in den Fällen einer geplanten Sanierung zu nutzen. Das Verfügungsrecht des Schuldners ist jedoch eingeschränkt durch Zustimmungsvorbehalte bzw. Vetorechte des in diesem Fall an die Stelle des Insolvenzverwalters eingesetzten sog. Sachwalters.

Ist der Schuldner eine natürliche Person, schließt sich auf seinen Antrag – und das dürfte regelmäßig der Fall sein – ein Verfahren zur Restschuldbefreiung an. In diesem Verfahren hat die Vollstreckungsstelle ein Anhörungs- und Antragsrecht. Sie hat insbesondere zu überwachen, ob der Schuldner unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Dies würde zu einer Versagung der Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht führen. Die Sachgebietsleiter und Sachbearbeiter der Vollstreckungsstellen werden bei der Bearbeitung der Insolvenzverfahren auch durch die Teilnahme an Berichts- und Prüfungsterminen beim Insolvenzgericht zusätzlich belastet sein. Für den Festsetzungsbereich sowie für die Rechtsbehelfsstellen werden sich nach bisherigem Kenntnisstand voraussichtlich keine wesentlichen Veränderungen in der Rechtsanwendung ergeben.

 

3. Verbraucherinsolvenz...

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