OFD Hannover, Verfügung v. 28.5.1998, S 0015 - 84 - StH 561/S 0550 - 470 - StO 322

 

I. Allgemeines

Ein wesentliches Ziel der Insolvenzrechtsreform ist die Schaffung eines Instruments, das dem redlichen Schuldner Gelegenheit gibt, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien.

Neben der Möglichkeit der Restschuldbefreiung im Rahmen des durchgeführten Insolvenzplanes § 227 InsO) und der gesetzlichen Restschuldbefreiung für natürliche Personen im Anschluß an das Insolvenzverfahren §§ 286 ff. InsO) hat der Gesetzgeber in den §§ 304 ff. InsO die Möglichkeit der Restschuldbefreiung im sog. Verbraucherinsolvenzverfahren eingeführt.

Dieses Verfahren soll die Schuldenbereinigung einer bestimmten Personengruppe in einem einfachen, flexiblen und die Gerichte wenig belastenden Verfahren erreichen.

 

II. Persönlicher Anwendungsbereich

Nach § 304 Abs. 1 InsO kommt das Verbraucherinsolvenzverfahren in Betracht für eine natürliche Person, die keine oder eine geringfügige selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Nicht selbständig wirtschaftlich tätig in diesem Sinne sind insbesondere

  • Arbeitnehmer,
  • Rentner,
  • Arbeitslose.

Eine selbständige wirtschaftliche Betätigung ist nach 304 Abs. 2 InsO insbesondere dann geringfügig, wenn sie nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Diese Definition lehnt sich an die Regelung des Minderkaufmanns in § 4 Abs. 1 HGB an. Die Abgrenzung im Einzelfall dürfte schwierig sein. Es kommt darauf an, ob es sich um einen einfach strukturierten und leicht überschaubaren Betrieb handelt, der eine kaufmännische Organisation im Hinblick auf die Überschaubarkeit, Führung und Planung nicht benötigt, Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 710. Typische Fälle aus dem Bereich des Handelsrechts sind

  • der Handelsvertreter,
  • der Handelsmakler,
  • (kleine) Einzelhändler,
  • (kleine) Gastwirte.

Daneben sind die sog. freien Berufe nicht zu übersehen. Auch für sie gilt für die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Verbraucherinsolvenz die Definition des § 304 Abs. 2 InsO, auch wenn der Hinweis auf die handelsüblichen Begriffsbestimmungen nicht darauf hindeutet.

 

III. Gang des Verfahrens

Das Verfahren zur Erlangung der Restschuldbefreiung im Rahmen der Verbraucherinsolvenz gliedert sich in drei Abschnitte:

  • den außergerichtlichen Einigungsversuch,
  • das Schuldenbereinigungsverfahren und
  • das vereinfachte Insolvenzverfahren.
 

1. Außergerichtlicher Einigungsversuch

1.1 Der Schuldner hat zwingend einen außergerichtlichen Einigungsversuch mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung zu betreiben. Das wird dadurch deutlich, daß der Schuldner im weiteren förmlichen Verfahren eine Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle (z.B. Schuldnerberatungsstelle, Rechtsanwalt, Steuerberater) vorlegen muß, aus der sich die Erfolgslosigkeit der Bemühungen um eine außergerichtliche Einigung ergibt § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

Um zu verhindern, daß dieser Einigungsversuch zu einer bloßen Formalität verkommt, ist in § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorgeschrieben, daß der Einigungsversuch aufgrund eines konkreten Planes versucht werden muß. Wie dieser Plan im einzelnen ausgestaltet sein muß, ist nicht geregelt. Es wird aber regelmäßig ein Plan sein, der dem im ggf. nachfolgenden Schuldenbereinigungsverfahren vom Schuldner vorzulegenden Plan vergleichbar ist. Dieser Schuldenbereinigungsplan enthält zwingende Vorgaben, insbesondere die Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners, die Angabe, ob und inwieweit Bürgschaften, Pfandrechte und andere Sicherheiten der Gläubiger vom Plan berührt werden, sowie einen korrekten Vorschlag zur Begleichung der Schulden (vgl. § 305 Abs. 1 Nr. 3 und 4 InsO).

1.2 Der außergerichtliche Einigungsversuch unterliegt der vollständigen Gestaltungsfreiheit der Gläubiger und des Schuldners. Alle Beteiligten sind im Rahmen des (zivil-)rechtlichen Zulässigen frei in ihren Entscheidungen. Der im Rahmen des außergerichtlichen Einigungsversuchs aufgestellte und verhandelte Plan kann Regelungen vorsehen über Stundungen, Ratenzahlungen, (Teil-)Erlasse und auch Folgen für die Nichterfüllung der im Plan festgelegten Bedingungen. Er kann darüber hinaus auch Vereinbarungen für den Fall der Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners (z.B. Arbeitslosigkeit, Vermögenszuwachs, Erbschaft) enthalten.

 

2. Schuldenbereinigungsverfahren

Scheitert der ernsthafte Versuch des Schuldners, eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen, so kann er die Eröffnung des vereinfachten Insolvenzverfahrens nach den §§ 311 ff. InsO beantragen. Der Antrag kann auch von einem Gläubiger gestellt werden (Argument aus § 306 Abs. 3 InsO). Das FA sollte einen solchen Antrag in Ausnahmefällen in Erwägung ziehen, falls sich dadurch zusätzliche Befriedungsaussichten ergeben. In diesem Fall hat das Insolvenzgericht dem Schuldner nach § 306 Abs. 3 Satz 1 InsO Gelegenheit zu geben, ebenfalls einen Antrag zu stellen.

Der Antragsteller hat – wie bei jedem Insolvenzverfahren –...

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