Sachverhalt
Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Steuerschuld aus einer in der Rechnung zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuer auch dann nach Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie in der Fassung der sog. Binnenmarkt-Richtlinie (ab 1.1.2007: Art. 203 MwStSystRL) geschuldet wird, wenn der Ort der betreffenden Leistung nicht im Inland liegt, die Leistung also im Inland nicht steuerbar ist.
Die Klägerin ist ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, das die Vermietung sowie den Aufbau und Abbau von Messeständen betreibt. In den Jahren 1993 bis 1995 erbrachte sie entsprechende Leistungen in Deutschland sowie in Staaten außerhalb der EU für eine Stelle des niederländischen Wirtschaftsministeriums (EVD), das die bezogenen Leistungen ausschließlich für nicht umsatzsteuerbare Tätigkeiten verwendete. Die Klägerin stellte für ihre Leistungen gegenüber EVD Rechnungen aus, in denen niederländische MwSt ausgewiesen wurde. Für diese Leistungen führte die Klägerin zunächst die ausgewiesene Steuer an die niederländische Finanzverwaltung ab, beantragte später aber die Rückzahlung der abgeführten Steuer mit der Begründung, dass die Leistungen nicht in den Niederlanden erbracht worden seien.
Die niederländische Finanzverwaltung gab dem Antrag unter der Voraussetzung statt, dass die Klägerin gegenüber EVD berichtigte Rechnungen ausstellte. Als eine Überprüfung der niederländischen Finanzverwaltung ergeben hatte, dass die Klägerin die Rechnungen nicht berichtigt und die als Steuer ausgewiesenen Beträge auch nicht an EVD zurück gezahlt hatte, verlangte die niederländische Finanzverwaltung erneut die Zahlung der in den Rechnungen ausgewiesenen MwSt.
Das Vorlagegericht ging davon aus, dass der Ort der streitgegenständlichen Leistungen nicht in den Niederlanden lag. Demzufolge könne sich eine Pflicht der Klägerin zur Zahlung der MwSt nur aus Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie aufgrund eines Steuerausweises in der Rechnung ergeben. Für das vorlegende Gericht war jedoch fraglich, ob eine Steuerschuld nach dieser Bestimmung auch dann entstehen kann, wenn der Leistungsort nicht im Inland liegt. Wenn dies der Fall sei, stelle sich die weitere Frage, ob eine Berichtigung der Steuerschuld von einer Rechnungsberichtigung abhängig gemacht werden könne, wenn der Empfänger kein Recht auf Vorsteuerabzug hat (so dass keine Gefährdung des Steueraufkommens entsteht).
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie jede Person, die MwSt in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist, die Steuer schuldet. Diese Steuerschuld besteht unabhängig davon, ob der Unternehmer die in einer Rechnung ausgewiesene Steuer aufgrund eines steuerbaren Umsatzes zu entrichten hat. Anders als in den Fällen, in denen die Steuerschuld auf einem steuerbaren Umsatz basiert, ist demzufolge der Ort der in Rechnung gestellten Leistung für die Entstehung der Steuerschuld nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie unerheblich. Die Steuer wird nach dieser Vorschrift ausschließlich deshalb geschuldet, weil MwSt in einer Rechnung ausgewiesen ist.
Zweck dieser Regelung ist, wie der EuGH erneut bestätigt, dass einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegengewirkt wird, die sich aus dem Vorsteuerabzugsrecht ergeben kann. Selbst wenn der Vorsteuerabzug nur für eine Steuer möglich ist, die für einen steuerbaren Umsatz geschuldet wird, ist - so der EuGH - die Gefährdung des Steueraufkommens grundsätzlich nicht vollständig beseitigt, solange der Adressat einer Rechnung, in der MwSt zu Unrecht ausgewiesen ist, diese noch zu einem Vorsteuerabzug nutzen kann. Die Gefährdung des Steueraufkommens zeichnet sich für den EuGH auch dadurch aus, dass die Finanzverwaltung aufgrund komplexer Umstände und Rechtsbeziehungen ggf. nicht rechtzeitig feststellen kann, dass andere Erwägungen einer Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts entgegenstehen.
Der EuGH hat zur ersten Vorlagefrage auch entschieden, in welchem Mitgliedstaat (wenn dort nicht der Ort der Leistung lag, über die abgerechnet wurde), die in der Rechnung zu Unrecht ausgewiesene MwSt geschuldet wird. Da die Gefährdung des Steueraufkommens, die sich daraus ergeben könnte, dass der Rechnungsempfänger einen Vorsteuerabzug ausübt, in dem Mitgliedstaat besteht, dessen Mehrwertsteuer in der betreffenden Rechnung ausgewiesen ist, wird die Steuer nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie in diesem Mitgliedstaat geschuldet. Das bedeutet, dass z.B. in einem Fall, in dem ein in Deutschland ansässiger Unternehmer für eine Leistung, deren Ort in Frankreich liegt, in der Rechnung zu Unrecht französische MwSt ausweist (z.B. weil die Leistung steuerfrei und nicht steuerpflichtig ist oder weil der Rechnungsempfänger die Steuer schuldet, die Steuer in Frankreich schuldet. Dies gilt auch für den Fall, dass der Leistungsort in Deutschland liegt und gleichwohl französische MwSt in der Rechnung ausgewiesen wird, weil der Unternehmer sich über den Leistungsort in einem Rec...