Leitsatz
1. Wurde eine Rechnung mit Steuerausweis über eine nicht ausgeführte Leistung an den Aussteller zurückgegeben oder storniert, ohne dass der Empfänger der Rechnung die ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abzog, so ist die Gefährdung für das Steueraufkommen durch die Rechnung beseitigt; die nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldete Steuer ist zu berichtigen (Anschluss an EuGH, Urteil vom 19.11.2000 Rs. C?454/98, Schmeink & Cofreth/Manfred Strobel, UVR 2000, 424, UR 2000, 470).
2. Die Berichtigung der Steuer kann im Verfahren über die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung erfolgen, wenn noch in demselben Besteuerungszeitraum die Gefährdung beseitigt wurde.
Normenkette
§ 14 Abs. 3 UStG , Art. 21 Nr. 1 Buchst. c 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin hatte im Streitjahr über eine nicht ausgeführte Leistung eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis an eine P-GmbH ausgestellt. Bezahlt wurde die Rechnung von einer H-GmbH. Unklar ist, ob die Rechnung an die P-GmbH, die wohl irrtümlich adressiert worden war, zwischenzeitlich storniert oder sogar von der P-GmbH zurückgeschickt worden ist. Das Finanzamt nahm jedenfalls die Klägerin wegen einer geschaffenen Gefährdungslage wegen § 14 Abs. 3 UStG in Anspruch, eine Berichtigung lehnte es ab.
Entscheidung
Der BFH stützt sich bei seiner Entscheidung auf die Grundsätze des EuGH (Urteil vom 19.9.2000, Rs. C-454/98), wonach eine Berichtigungsmöglichkeit auch in Fällen einer Steuerschuld gem. § 14 Abs. 3 UStG gegeben ist, wenn die Gefährdungslage beseitigt worden ist. In diesen Fällen sei ein guter Glaube nicht erforderlich.
Er verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das FG zurück, da es insoweit maßgeblich darauf ankomme, ob die Rechnung storniert bzw. zurückgegeben worden sei, ohne dass die darin ausgewiesene Steuer als Vorsteuer abgezogen worden sei. Soweit noch im Streitjahr die Gefährdung beseitigt worden sei, könne die Berichtigung dann auch im Steuerfestsetzungsverfahren erfolgen und müsste nicht in einem nachfolgenden Billigkeitsverfahren abgewickelt werden. Die Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzung entspreche dann den Berichtigungsvoraussetzungen gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG.
Hinweis
Auf den Vorlagebeschluss des BFH hat der EuGH in Sachen Schmeink & Cofreth sowie Manfred Strobel durch Urteil vom 19.9.2000 entschieden, dass bei beseitigter Gefährdungslage der Steuerpflichtige einen Berichtigungsanspruch der zu Unrecht in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer habe. Allerdings müsse diese nicht im Steuerfestsetzungsverfahren erfolgen, sondern könne auch in einem nachfolgenden Billigkeitsverfahren vorgenommen werden. Ein guter Glaube ist dann nicht mehr erforderlich; dem Finanzamt steht kein Ermessen mehr zu. Eine Gefährdungslage soll insbesondere dann nicht mehr vorliegen, wenn die Rechnung vor ihrer Verwendung wieder dem Aussteller zurückgegeben wird bzw. wenn der geltend gemachte Vorsteuerabzug wieder rückabgewickelt wurde, bei gleichzeitiger Umsatzsteuerzahlung durch den Rechnungsaussteller. Die hierfür erforderliche Sachverhaltsaufklärung musste in dem vorliegenden Fall der BFH dem FG erneut überantworten.
Bedeutsam ist die vorliegende Entscheidung darüber hinaus aber insbesondere deswegen, weil der BFH bei Beseitigung der Gefährdungslage noch im selben Steuerfestsetzungsjahr die Berichtigung über § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG im Verfahren über die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung – also außerhalb eines Billigkeitsverfahrens – ermöglichen will. Er wendet insoweit die gleichen Grundsätze wie bei einer § 14 Abs. 2 UStG-Schuld an und hebt damit die Unterscheidung zwischen § 14 Abs. 2 und § 14 Abs. 3 UStG auf.
Hieraus folgt für die Praxis: Können Sie in einem vergleichbaren Fall die Beseitigung der Gefährdungslage noch für das maßgebliche Veranlagungsjahr, in dem die Steuerschuld gem. § 14 Abs. 3 UStG entstanden ist, nachweisen, so brauchen Sie zur Rechnungsberichtigung nicht über einen Antrag nach § 227 AO das Billigkeitsverfahren durchlaufen. Es reicht eine Berichtigung der Rechnung entsprechend § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG aus.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.2.2001, V R 5/99