1. BGH v. 15.9.2023 – V ZR 77/22, GmbH-StB 2023, 345
Anforderungen an die Aufklärungspflicht des Verkäufers: In seiner Entscheidung vom 15.9.2023 führt der BGH aus, dass wenn der Verkäufer dem Käufer im Rahmen einer Transaktion Unterlagen zur Prüfung und Kenntnisnahme in einem Datenraum zur Verfügung stellt, er seine Aufklärungspflicht dann erfüllt, wenn und soweit er aufgrund der Umstände die berechtigte Erwartung haben kann, dass der Käufer durch Einsichtnahme in den Datenraum Kenntnis von den offenbarungspflichtigen Umständen erlangen wird.
Dies hänge u.a. davon ab,
- in welchem Umfang eine Due Diligence durchgeführt wird,
- wie der Datenraum und der Zugriff hierauf strukturiert und organisiert sind und welche Vereinbarungen hierzu getroffen wurden sowie
- welcher Art die Information ist, um deren Offenlegung es geht.
Vermeidung der Verletzung einer Aufklärungspflicht: Um die Verletzung einer Aufklärungspflicht i.S.d. BGH-Rechtsprechung zu vermeiden, können verschiedene ineinandergreifende Maßnahmen getroffen werden:
- Vendor Due Diligence zur Ermittlung kritischer Sachverhalte, um diese zu beheben oder den Käufer entsprechend informieren zu können;
- Vereinbarung einer professionellen Due Diligence in Termsheet oder Letter of Intent;
- Einrichtung des Datenraums: nachvollziehbare Struktur, korrekte Bezeichnung und Verortung der Dokumente, Sichtbarkeit des Upload-Datums, Vorhandensein von Inhaltsverzeichnis und Suchfunktion, Hinweis auf neu hochgeladene Dokumente an Datenraumnutzer;
- kein Upload einer Vielzahl von Dokumenten kurz vor Beurkundungstermin;
- ausdrücklicher Hinweis auf für den Käufer erkennbar wesentliche Themen;
- Cut-Off-Datum für den Datenraum, ab dem der Datenraum "eingefroren" wird und keine zusätzlichen Dokumente mehr hochgeladen werden können und welches auch im Kaufvertrag zu benennen ist;
- Regelung im Kaufvertrag, wonach alle ordnungsgemäß i.S.d. vorgenannten Grundsätze im Datenraum zur Verfügung gestellten Dokumente als dem Käufer bekannt gelten und eine Haftung für darin dargestellte Sachverhalte ausgeschlossen ist (sog. Fair Disclosure Konzept);
- Best case aus Verkäufersicht: Regelung im Kaufvertrag, wonach der Käufer bestätigt, dass er von sämtlichen Unterlagen im Datenraum Kenntnis genommen hat und diese im Rahmen einer üblichen Due Diligence geprüft hat.
2. OLG Frankfurt v. 16.2.2023 – 1 U 311/20, GmbH-StB 2023, 207
Nach Ansicht des OLG Frankfurt setzt der Anspruch eines M&A-Beraters auf Zahlung eines Erfolgshonorars nach § 652 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass die von ihm entfaltete Tätigkeit für den Abschluss des Unternehmenskaufvertrags kausal geworden ist.
Mitursächliches Verhalten: Das Handeln müsse indes nicht allein ursächlich gewesen sein oder die Hauptursache gebildet haben; es reiche vielmehr aus, wenn das Verhalten zumindest mitursächlich geworden ist – d.h. der Abschluss des Unternehmenskaufvertrags sich bei wertender Betrachtung zumindest auch als Ergebnis einer dafür wesentlichen Maklerleistung darstellt. Beachten Sie: Dies kann – wie in dem vom Gericht entschiedenen Sachverhalt – bei Vorhandensein einer entsprechenden nachlaufenden vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung des Erfolgshonorars auch dann der Fall sein, wenn der M&A-Berater nicht den Käufer nachgewiesen hat, der Beratungsvertrag bereits beendet ist und die Transaktion erst nach Beendigung des Beratungsvertrags geschlossen/vollzogen wird.
Das Gericht sah die vom Kläger i.R.d. Due Diligence-Phase erbrachten Leistungen (Einrichtung und Bestückung des Datenraums, teilweise Schwärzungen von Dokumenten, Erstellung von Anlagen; Datenraumstruktur und Anlagen wurden vom Verkäufer auch bei einer späteren erfolgreich abgeschlossenen Transaktion verwendet) – und die somit ausdrücklich nicht in der Beibringung des Käufers bestanden – als ausreichend für die Auslösung der Verpflichtung zur Zahlung eines Erfolgshonorars an.
Handlungsempfehlungen für den Verkäufer: Um ein ausgewogenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sicherzustellen und nachlaufende Verpflichtungen möglichst gering zu halten, empfiehlt sich in der Praxis aus Verkäufersicht:
- eine frühzeitige Einbeziehung transaktionserfahrener Berater bereits bei Verhandlung des M&A-Beratungsvertrags;
- die Aufnahme von Regelungen, wonach ein nachlaufendes Erfolgshonorar nur dann geschuldet ist, wenn der Käufer tatsächlich durch den M&A-Berater nachgewiesen wurde;
- den zeitlichen Rahmen nachlaufender Verpflichtungen möglichst kurz zu halten und
- das Erfolgshonorar in bestimmten Konstellationen herabsetzen zu können.