Nach § 164 Abs. 1 S. 1 AO können die Steuern, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Ausweislich des klaren Wortlauts kommt diese Nebenbestimmung ausschließlich für Steuerbescheide (§ 155 Abs. 1 AO) in Betracht, nicht für sonstige Steuerverwaltungsakte, zu denen auch Verwaltungsakte über die Festsetzung von steuerlichen Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AO wie etwa den Verspätungszuschlag (§ 152 Abs. 1 S. 1 AO) gehören. Bei der Verbindung der Festsetzung eines Verspätungszuschlags mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung erstreckt sich der Vorbehalt demnach nicht auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags (vgl. z.B. FG Münster v. 22.8.2022 – 9 K 897/22 K, juris [NZB BFH XI B 79/22]).
Aus dem Wortlaut der genannten Norm geht hervor, dass die Anordnung des Vorbehalts der Nachprüfung keiner Begründung bedarf und von der Finanzbehörde daher ohne Beachtung weiterer Voraussetzungen vorgenommen werden darf. Dies gilt für den einzelnen Steuerfall, der Vorbehalt der Nachprüfung kann aber auch allgemein vom Behördenleiter oder vorgesetzten Dienststellen angeordnet werden, um beispielsweise den Abschluss der Veranlagungsarbeiten zu beschleunigen.
Beraterhinweis Vielfach wird der Vorbehalt der Nachprüfung in Körperschaftsteuerfällen angeordnet, um eine intensive, abschließende Prüfung dieser Fälle im Rahmen von Außenprüfungen (§§ 193 ff. AO) vorzunehmen. Allerdings ist ein Steuerbescheid nur dann wirksam unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt, wenn die Kennzeichnung des Vorbehalts für den Steuerpflichtigen eindeutig erkennbar ist (BFH v. 2.12.1999 – V R 19/99, BStBl. II 2000, 284).
Eine isolierte Klage gegen den Vorbehalt der Nachprüfung ist unzulässig: Anfechtbar ist der Vorbehalt der Nachprüfung als solcher nicht, da es sich um eine unselbständige, nicht allein anfechtbare Nebenbestimmung handelt (BFH v. 16.1983 – v. 1.6.1983 – III B 40/82, BStBl. II 1983, 622). Für eine Klage gegen den Vorbehalt der Nachprüfung als solchen fehlt daher das Rechtsschutzinteresse (Rechtsschutzbedürfnis; BFH v. 30.10.1980 – IV R 168-170/79, BStBl. II 1981, 150; FG Münster v. 22.8.2022 – 9 K 897/22 K, juris [NZB BFH XI B 79/22]). Der Steuerpflichtige kann demnach grundsätzlich weder die Aufnahme eines Vorbehaltsvermerks in den Steuerbescheid noch dessen Aufhebung unmittelbar erzwingen. Allerdings kann er den Steuerbescheid mit der Begründung anfechten, die Aufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung sei rechtswidrig (vgl. Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 164 AO Rz. 110 [August 2019]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 164 AO Rz. 5 [Februar 2022]).