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Dr. Maximilian Steinhauer
Ein zentraler Wert bei der Bemessung der Grundsteuer ist nach der Grundsteuerreform der Bodenrichtwert. Als Teil der steuerlichen Bemessungsgrundlage beeinflusst dieser die Höhe der festzusetzenden und vom Steuerschuldner zu zahlenden Grundsteuer. Dies nimmt der vorliegende Beitrag zum Anlass, die Frage nach dem Rechtsschutz gegen Bodenrichtwerte aufzuwerfen und zu beantworten.
1. Bedeutung der Bodenrichtwerte bei der Grundsteuerveranlagung
Der Ausgangspunkt für die Bemessung der Grundsteuer nach der Grundsteuerreform ist nach dem "Bundesmodell" gem. § 13 Satz 1 und 2 GrStG n.F. der Grundsteuerwert. Dieser wird gem. § 220 Satz 1 BewG nach dem ebenfalls reformierten Siebenten Abschnitt des BewG (§§ 218 bis 263) ermittelt und nach § 219 Abs. 1 BewG i.V.m. § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO durch einen Grundsteuerwertbescheid gesondert festgestellt (ausführlich zur reformierten Grundsteuer Eichholz, DStR 2020, 1158–1167 und DStR 2020, 1217–1227).
Ein wesentlicher Baustein für die Bewertung von Grundvermögen i.S.v. § 243 BewG ist der Bodenrichtwert. So ermittelt sich der Grundsteuerwert unbebauter Grundstücke gem. § 247 Abs. 1 Satz 1 BewG regelmäßig durch Multiplikation ihrer Fläche mit dem jeweiligen Bodenrichtwert. Auch bei der Bewertung von bebauten Grundstücken wird der Bodenrichtwert relevant: im Ertragswertverfahren nach § 257 Abs. 1 Satz 1 BewG bei der Ermittlung des abgezinsten Bodenwerts und im Sachwertverfahren nach § 258 Abs. 2 BewG bei der Ermittlung des Bodenwerts.
2. Ermittlung der Bodenrichtwerte
Für die Ermittlung der Bodenrichtwerte verweist das BewG in § 247 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BewG (ggf. i.V.m. § 257 Abs. 1 Satz 1 oder § 258 Abs. 2 BewG) auf das BauGB. § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB definiert die Bodenrichtwerte als durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands. Diese werden gem. § 193 Abs. 5 Satz 1 BauGB von den Gutachterausschüssen i.S.v. § 192 BauGB auf der Grundlage der Kaufpreissammlung nach § 195 BauGB ermittelt und nach § 196 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 BauGB veröffentlicht.
3. Eingeschränkter Rechtsschutz
a) Bodenrichtwerte als Typisierung und Vereinfachung der Bedarfsbewertung
Der zweite Senat des BFH entschied im Jahr 2005 – und bestätigte diese Rspr. in folgenden Entscheidungen, dass die Bodenrichtwerte nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sind (BFH v. 11.5.2005 – II R 21/02, DStR 2005, 1566 [1566 f.]; BFH v. 26.4.2006 – II R 58/04, DStRE 2006, 1078 [1080]; BFH v. 25.8.2010 – II R 42/09, DStR 2010, 2077 [2078]). Zur Begründung seiner Rechtsauffassung stellte er darauf ab, dass der Gesetzgeber mit der Ermittlung der Bodenrichtwerte beabsichtigt, die Bedarfsbewertung zu typisieren und zu vereinfachen, da die Bewertung eines Grundstücks wegen ihrer Komplexität vergleichsweise aufwendig ist und von der Finanzverwaltung nicht zu bewerkstelligen wäre. Dieser Vereinfachungseffekt würde jedoch verlorengehen, wenn bei der Rechtsüberprüfung einer solchermaßen vorgenommenen Bewertung über die korrekte Höhe der Bodenrichtwerte gestritten würde. Deshalb sind die Bodenrichtwerte für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Prüfung nicht zugänglich.
Beraterhinweis Der Steuerpflichtige hat lediglich einen Anspruch auf eine Wertermittlung, die dem typisierenden Verfahren entspricht, nicht jedoch auf den Ansatz eines anderen Bodenrichtwerts, der von ihm für richtiger gehalten wird. Das bedeutet, dass die Bodenrichtwerte nur mit der Begründung angegriffen werden können, der Gutachterausschuss habe das Verfahren nach § 196 BauGB nicht beachtet, was zu einer krassen Fehlbewertung geführt habe. Nicht ausreichend ist dagegen der Einwand, dass der konkret ermittelte Bodenrichtwert zu hoch sei.
b) Vereinbarkeit mit dem GG
Diese Rspr. steht auch im Einklang mit dem GG. Zwar verlangt der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG eine Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, was die Typisierung mit den Bodenrichtwertwerten durchbricht. Grundrechtseingriffe führen jedoch nur dann zu einer Verletzung derselben, wenn sie nicht gerechtfertigt sind. Typisierungen und Vereinfachungen, deren Funktion darin besteht, den Rechtsanwender im Massenfallrecht zu entlasten, sind aber nach ständiger Rspr. des BVerfG als Rechtfertigungsgrund für Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips anerkannt (statt vieler BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 [232] m.w.N.). Das Gleiche gilt im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG.
Beraterhinweis Inzwischen mehren sich die Stimmen, die die Verfassungsmäßigkeit der reformierten Grundsteuer als solcher bezweifeln. Zu dieser Frage sind bereits beim FG Berlin-Brandenburg drei Musterverfahren anhängig und zwei weitere beim FG Baden-Württemberg in Bezug auf das baden-württembergische Landesgrundsteuergesetz. Ausgehend hiervon empfiehlt es sich, Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid einzulegen und nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.
c) Rechtsschutz über die Feststellungsklage auf dem Verwaltungsrechtsweg
Für ein gerichtliches Vorgehen unmittelb...