Neue Grundsteuer: BFH hat Zweifel am Bundesmodell

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat über die neue Grundsteuer entschieden. Zweifel bestehen an der pauschalen Bewertung im Bundesmodell – Eigentümer müssen einen niedrigeren Wert des Grundstücks nachweisen können. Das letzte Wort könnte das Bundesverfassungsgericht haben.

Besteht der Verdacht, dass die pauschal ermittelten Werte für die neue Grundsteuer deutlich zu hoch sind, muss die Feststellung ausgesetzt werden. Die Eigentümer müssen die Chance bekommen, einen tatsächlichen niedrigeren Wert mit Gutachten nachzuweisen, dass die Werte so stark abweichen, dass das Übermaßverbot verletzt ist.

Allerdings müssen die Betroffenen Abweichungen von mindestens 40 Prozent glaubhaft machen, damit es am Ende auch zu einer Korrektur der Steuer kommt. Ist die Differenz kleiner, ändert sich nichts an der pauschal festgesetzten Steuer.

Das geht aus Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hervor, die am 13. Juni veröffentlicht wurden.  Konkret geht es um das sogenannte Bundesmodell, das elf von 16 Bundesländer nutzen. Da bereits Zweifel an der Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte bestanden, war vom Gericht nicht mehr zu prüfen, ob die neue Berechnung grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegt.

BFH, Beschluss v. 27.5.2024, II B 78/23 (AdV)

BFH, Beschluss v. 27.5.2024, II B 79/23 (AdV)

Grundsteuerwertfeststellungen nicht rechtmäßig

Beim Bundesmodell werden die Werte relativ pauschal ermittelt. Die Eigentümer hatten eingewandt, dass ihre Immobilien sehr viel weniger wert seien – unter anderem wurden dabei schlechte Zugänglichkeit des Grundstücks beziehunsgweise ein sehr schlechter Zustand des Hauses angeführt.

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hatte Ende November 2023 "ernstliche Zweifel" an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregeln angemeldet und gab in einem Eilverfahren zwei Antragstellern (Az. 4 V 1295/23, Az. 4 V 1429/23) recht. Die Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide wurde ausgesetzt und "wegen der grundsätzlichen Bedeutung" der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung Beschwerde zum BFH zugelassen.

Das FG bezweifelt, dass die entscheidend in die Bewertung eingeflossenen Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen sind, auch was die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der Gutachterausschüsse angeht – hier könnten "Einflussnahmemöglichkeiten nicht ausgeschlossen werden", so das Gericht. Zudem hätten Steuerpflichtige nicht die Möglichkeit, einen unter dem typisierten Bodenrichtwert liegenden Wert des Grundstücks nachzuweisen, etwa mit einem Gegengutachten, das aber eben nicht vorgesehen ist.

Die gegen die Entscheidungen des FG Rheinland-Pfalz erhobenen Beschwerden des Finanzamts hat der BFH in seinen Beschlüssen als unbegründet zurückgewiesen.

Keine Entscheidung über Verfassungsmäßigkeit

Nach Auffassung des BFH ergeben sich einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwertfeststellungen in Bezug auf die Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte daraus, dass den Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.

Der Gesetzgeber habe den Nachweis nicht ausdrücklich geregelt, verfüge aber gerade in Massenverfahren der vorliegenden Art über einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum. Das Übermaßverbot könne jedoch verletzt sein, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweise. Dies setze nach der bisherigen Rechtsprechung zu anderen typisierenden Bewertungsvorschriften voraus, dass der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 Prozent oder mehr übersteige.

In beiden Streitfällen kam der BFH zu dem Ergebnis, es sei bei summarischer Prüfung nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten führen könnten. Eine abschließende Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsrechts ist damit nicht verbunden.

Der Verfassungsrechtler Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg, hält das Grundsteuergesetz des Bundes für verfassungswidrig. Kirchhof riet Eigentümern in einem Interview mit dem "Focus", sich gegen die Grundsteuer zu wehren.

Die neue Grundsteuer wird ab Januar 2025 fällig. In Baden-Württemberg, das dem Bundesmodell in modifizierter Form folgt, sind erste Musterklagen vor dem Finanzgericht gescheitert.


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dpa