Grunderwerbsteuer halbieren: Was eine Reform bringen kann

Eine Halbierung der Grunderwerbsteuer entspräche neun Prozent mehr Baugenehmigungen, also auch mehr neuen Wohnungen, rechnen Wissenschaftler in einer neuen Studie vor – und kommen dabei zu dem Schluss: Die Länder könnten die Mindereinnahmen mehr als kompensieren.

Die Grunderwerbsteuer steht seit Jahren in der Kritik: Sie beeinträchtige die Wohneigentumsbildung und bremse den Wohnungsbau. Für die Bundesländer wiederum ist die Grunderwerbsteuer eine wichtige Einnahmequelle.

Eine Halbierung der Grunderwerbsteuer würde laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln nicht nur die Zahl der Baugenehmigungen um neun Prozent steigern und die Fertigstellungszahlen erhöhen, sondern auch die Mindereinnahmen der Länder mehr als kompensieren, da sie weniger Wohnungen selbst bauen müssten.

Das Gutachten wurde vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB), der Bauwirtschaft Baden-Württemberg (BWW), dem Landesverband Bayerischer Bauinnungen, dem Baugewerbe-Verband Niedersachsen sowie den Bauverbänden NRW in Auftrag gegeben. Untersucht wurde, wie sich eine Senkung der Grunderwerbsteuer auf die Neubaunachfrage auswirkt.

Runter mit der Grunderwerbsteuer, rauf mit dem Neubau

"Die Grunderwerbsteuer hat sich für Familien zu einer riesigen Hürde bei der Eigentumsbildung aufgetürmt. Mit Blick auf die Wohnungsnot brauchen wir aber jedes private Bauvorhaben", sagte ZDB-Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Daher appelliere die Bauwirtschaft erneut an die Länder, die Furcht vor Mindereinnahmen zu überwinden. "Jeder Euro in Bauinvestitionen generiert bis zu sieben Euro an Folgeinvestitionen."

Zentrale Ergebnisse der Studie im Überblick

  • Der Wohnungsbaubedarf ist angesichts hoher Zuwanderung und zu geringer Bautätigkeit in der Vergangenheit sehr groß. Mit den aktuell fallenden Fertigungszahlen wird sich der Druck im Wohnungsmarkt weiter erhöhen.
  • Die Grunderwerbsteuer ist für die Bundesländer eine wichtige Einnahmequelle, im Jahr 2023 lag ihr Aufkommen bei 25,2 Milliarden Euro. Aufgrund rückläufiger Transaktionen liegt dieser Wert aber bereits 33 Prozent unter dem Höchststand von 2021.
  • Eine Reduzierung der Grunderwerbsteuersätze um 50 Prozent würde die Zahl der Baugenehmigungen um neun Prozent steigern. Dieser Effekt würde sich mit einem Zeitverzug auch bei den Baufertigstellungen zeigen.
  • Insbesondere in der aktuellen Lage mit hohen Bauüberhängen könnte der Effekt stärker und zeitnäher erfolgen.
  • Eine Senkung der Grunderwerbsteuer um 50 Prozent wäre zwar mit einer zusätzlichen Bautätigkeit verbunden, würde über alle Bundesländer hinweg aber zu Einnahmereduzierungen von rund drei Milliarden Euro führen. Allerdings: Der staatliche Neubau von so vielen Wohnungen, wie sie über eine entsprechende Grunderwerbsteuersenkung geschaffen werden würden, hätte Kosten von rund zehn Milliarden Euro zur Folge.
  • Der Effekt einer Grunderwerbsteuersenkung auf den Neubau könnte sich noch durch eine strukturelle Reform der Grunderwerbsteuer vergrößern, gleichzeitig könnten auch die Einnahmeausfälle begrenzt werden. Besonders attraktiv in diesem Sinne wäre eine Reform nach britischem Vorbild mit einem progressiven Grunderwerbsteuertarif.

Die Bundesländer können die Höhe der Grunderwerbsteuer seit der Förderalismusreform 2006 selbst festlegen, viele haben sie seither kräftig erhöht. Vor der Reform lag der Steuersatz bundesweit einheitlich bei 3,5 Prozent.

Die Steuer macht je nach Bundesland zwischen fünf und 6,5 Prozent des Kaufpreises aus – nur Bayern hat den alten Satz bisher belassen.

IW-Gutachten "Auswirkungen einer Grunderwerbsteuersenkung auf die Neubaunachfrage" (Download)

Ökonomen: Niedrige Grunderwerbsteuer pusht Wohnungsbau

Dass eine niedrige Grunderwerbsteuer zu mehr Wohnungsbau der Privatwirtschaft führen kann und unter dem Strich für die Bundesländer günstiger käme, rechnet auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) Kiel vor. Laut dieser Studie wurden im Untersuchungszeitraum in den Bundesländern mit niedrigen Sätzen deutlich mehr neue Wohnungen gebaut als in den Ländern mit höheren Sätzen. Über die Jahre 2011 bis 2020 hinweg lagen demnach die Bauinvestitionen zum Beispiel in Bayern durchschnittlich um acht Prozent höher.

IfW-Analyse "Zum Einfluss der Grunderwerbsteuer auf den Wohnungsneubau in Deutschland" (PDF)

Reform der Grunderwerbsteuer in der Lindner-Schublade

Das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) hatte bereits im Mai 2023 eine Reform der Grunderwerbsteuer für Selbstnutzer mit einem Freibetrag und ermäßigten Steuersätzen ins Gespräch gebracht. In einem Diskussionsentwurf heißt es: "Um mehr Menschen in Deutschland ein Wohnen im selbst genutzten Eigentum zu ermöglichen, werden die Länder zur Erleichterung des Erwerbs von selbst genutztem Wohneigentum befugt, die Grunderwerbsteuer flexibler auszugestalten."

Die Reform hat allerdings kaum Aussicht auf Erfolg. Für eine solche Regelung ist die Zustimmung des Bundesrates nötig. Die Länder sperren sich, denn sie haben wenig Anreiz dafür: Die Immobiliensteuer ist eine lukrative Einnahmequelle.


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dpa

Schlagworte zum Thema:  Wohnungsbau, Grunderwerbsteuer