Share Deals: Wenn deutsche Mieten in der Karibik landen

Den deutschen Fiskus kostet das "Steuerschlupfloch" Milliarden Euro, für die großen Player sind Share Deals mit Immobilien attraktiv. Ein internationales Netzwerk verdient so an tausenden Wohnungen, wie ein Rechercheteam im Saarland aufgedeckt hat. Gewinne und Mieten landen in der Karibik.

Mindestens 2.000 Wohnungen in Deutschland sollen einem komplexen internationalen Netzwerk aus Firmen gehören, vermutlich erworben über sogenannte Share Deals, um die Gewerbesteuer zu sparen. Die tatsächlichen Eigentümer bleiben bei den Deals verschleiert, da die Immobilie im Besitz derselben Firma bleibt und nur die Gesellschafter hinter der Firmenhülle wechseln. Zu diesem Ergebnis kommt eine Recherche von Saarländischem Rundfunk (SR) und Correctiv.

Hinter dem Firmennetzwerk stehen laut SR und Correctiv unter anderem Mitglieder einer schottischen Adels-Familie, des Gordon-Clans. Es geht um Wohnblöcke im saarländischen Ottweiler, in Lüdenscheid und Detmold in Nordrhein-Westfalen und in Naumburg in Sachsen-Anhalt. Auch Immobilien in Niedersachsen und Bayern sind darunter. Befragte Mieter berichteten vom desolaten Zustand der Immobilien, etwa von defekten Heizungen und Schimmel in den Wohnungen.

Das Team kommt zu dem Schluss, dass auch die Mieten in Deutschland kaum versteuert werden. Die Gewinne gelangen über Briefkastenfirmen in mehr als zehn Schritten von Luxemburg bis auf die Britischen Jungferninseln. Dort werden keine Steuern fällig. Während der Recherchen wurden die Firmen, und damit die Wohnungen, erneut verkauft. Wieder im Rahmen eines Share Deals.

Wie hoch der Schaden für die deutsche Staatskasse ist, lässt sich nach Angaben der Journalisten kaum beziffern. Einzelne Firmen aus dem Netzwerk haben auf konkrete Fragen lediglich geantwortet, man halte sich an das Gesetz. Der Gordon-Clan ließ einen Fragenkatalog unbeantwortet.

Immobiliendeals an den Behörden vorbei

Dass sich der Immobilienmarkt für Geldwäsche eignet und Share Deals den deutschen Fiskus um Milliarden bringen, ist nicht neu. Im April 2019 strahlte der Norddeutsche Rundfunk (NDR) eine Reportage aus, die das Bild vermittelte, dass es für Investoren auch relativ einfach ist, Verkaufsverbote zu umgehen und via Briefkastenfirma an den Behörden vorbei einzukaufen.

Dem Beitrag zufolge soll zum Beispiel der israelische Investor und Milliardär Amir Dayan die Mehrheit der Firmenanteile an einem Wohnkomplex in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) vorzeitig verkauft haben, obwohl er sich zuvor verpflichtet hatte, die Immobilien zehn Jahre zu halten. Privatisiert worden waren die 1.000 Wohnungen drei Jahre zuvor von der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Schwerin (WGS). Die wollte laut dem NDR-Recherche-Team vom Weiterverkauf der Anteile nichts gewusst haben.

Gekauft wurden die Schweriner Wohnungen laut NDR-Recherchen auch hier von Wohnungsunternehmen, die zwar in Deutschland registriert sind, aber eigentlich Briefkastenfirmen auf Zypern gehören. Auftraggeber waren internationale Investoren. Über das von der Bundesregierung 2017 eingeführte Transparenzregister konnten die Journalisten nicht ermitteln, wer genau hinter den Firmen steckt.

Dayan soll in Deutschland unter anderem auch mehrere Millionen Aktien der börsennotierten TLG Immobilien AG gekauft haben.

Share Deals: In Deutschland kontrovers diskutiert

Um Anteile an Immobilien zu verkaufen, bieten sich Share Deals an. Gekauft werden nicht die Immobilien selbst, sondern Mehrheitsanteile an den Firmen, denen die Immobilien gehören. So gewinnt der Käufer Kontrolle und kann sich unter bestimmten Bedingungen die Grunderwerbssteuer sparen. Ein für die Immobilienbranche wichtiges Instrument, das gleichzeitig als Steuerprivileg für finanzkräftige Immobilieninvestoren verschrien ist.

Und was macht die Politik? Die lässt das Thema bis auf Weiteres ruhen: 2019 hatte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen, der Share Deals unattraktiver machen sollte. Das wurde bei einer Anhörung unter anderem von Vertretern der Immobilienbranche scharf kritisiert – die Große Koalition legte das Thema daraufhin auf Eis.


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dpa