Grundsteuer: Musterklage zum Bundesmodell abgewiesen
Das Finanzgericht (FG) Köln hat erstmals grünes Licht für die neue Grundsteuerbewertung gegeben. Diese sei nicht zu beanstanden, befanden die Richter und wiesen eine Klage ab. "Das Urteil ist, soweit wir das überblicken können, das erste zum sogenannten Bundesmodell, das von mehreren Bundesländern angewandt wird", sagte ein Sprecher.
Die Klage richtete sich gegen einen Bescheid, mit dem der Grundsteuerwert zum 1.1.2022 nach dem Bundesmodell festgestellt wurde, das in neun Ländern (Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen) angewandt wird – das Saarland und Sachsen nutzen auch die Bundesregelung, weichen jedoch bei der Höhe der Steuermesszahlen ab.
Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken, wie sie die Kläger angeführt hatten, sah das Gericht nicht. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen: Der Senat ließ die Revision zum Bundesfinanzhof zu.
Das Gericht veröffentlichte zunächst nur den Tenor der Entscheidung.
Die Entscheidungsgründe würden nach Zustellung des schriftlichen Urteils an die Beteiligten nachgereicht.
(FG Köln, Urteil v. 19.9.2024; 4 K 2189/23)
Rechtsgutachten hält Bundesmodell für verfassungswidrig
Bei der abgewiesenen Klage handelt es sich um eine von mehreren Musterklagen, die vom Bund der Steuerzahler (BdSt) unterstützt wurden – sie halten vor allem den Bodenrichtwert für problematisch. Prof. Dr. Gregor Kirchhof, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanzrecht und Steuerrecht an der Universität Augsburg, kommt in einer Studie im Auftrag des BdSt und des Eigentümerverbands Haus & Grund Deutschland sogar zu dem Schluss, dass das Gesetz verfassungswidrig ist.
Der Verfassungsrechtler kritisiert in seinem Gutachten "Verletzt das Grundsteuergesetz des Bundes das Grundgesetz?", das am 17.4.2023 vorgestellt wurde, dass die festgelegten Bodenrichtwerte – im Vergleich etwa zu Modellen nur mit Fläche und Gebäudeart – nicht vergleichbar seien. So habe etwa die begehrte Wohnlage Wannsee in Berlin einen geringeren Richtwert erhalten als die weniger attraktive Lage Neukölln. Außerdem würden individuelle Umstände wie Denkmalschutzauflagen, Baumängel, Altlasten und anderes bei der Bewertung der Grundstücke nicht berücksichtigt.
Auszüge aus dem Gutachten zum Bundesmodell. Fünf entscheidende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit im Überblick:
1. Bewertung orientiert sich zu sehr an der Einkommensteuer
Fakt: Beim Bundesmodell orientiert sich die Grundsteuer an dem Wert von Grund und Boden. Damit greift das Bundesmodell strukturell in den Bereich der Vermögen- und Einkommensteuer ein.
Kritik: Der Bund schafft kein eigenes Bewertungssystem für die Grundsteuer, obwohl das Bundesverfassungsgericht ein solches System ausdrücklich verlangt hat. Wenn der Bund die Bemessung der Grundsteuer an den Verkehrswerten und damit an möglichen Verkaufserlösen ausrichtet, rückt er die Steuerbemessung in die Nähe der Einkommensteuer, obwohl sich die Einkommens- und die Grundsteuer – von der Verfassung her – unterscheiden müssen.
2. Bodenrichtwerte sind nicht vergleichbar
Fakt: Die Bodenrichtwerte sind wenig vergleichbar. Beispiel Berlin: Die begehrte Wohnlage Wannsee hatte zum 1.1.2022 einen Bodenrichtwert von 1.500. In der weniger attraktiven Lage Neukölln ist der Wert mehr als doppelt so hoch: 3.200!
Kritik: Die Bodenrichtwerte weisen "systematische Bewertungslücken" auf. Die strikte Anwendung der Bodenrichtwerte stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes dar.
3. Pauschalierungen verstoßen gegen das Grundgesetz
Fakt: Das Bundesmodell greift auf sehr viele Parameter zurück: Im Rahmen der pauschalen Nettokaltmieten müssen die Gebäudeart, Wohnflächen, Baujahr, Mietniveaustufen (und Abschläge hiervon), Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszinssatz, Restnutzungsdauer und der abgezinste Bodenwert berücksichtigt werden.
Kritik: Der Bund hat eine äußerst komplexe Bewertung entwickelt, die im Massen-Verfahren nur schwer anwendbar ist. Manchmal sind die Parameter kompliziert zu ermitteln (Brutto-Grundfläche), andere genutzte Kriterien sind realitätsfern und deshalb gleichheitswidrig (pauschale Nettokaltmieten, Bodenwert). Das Recht ist nun deshalb so kompliziert, weil der Bund Kompetenzschranken eingehalten hat, die nach der Verfassungsreform im Jahr 2019 nicht mehr bestanden. Somit belastet das Bundesrecht die vielen Grundsteuerpflichtigen – ohne Grund – mit zu aufwendigen Mitwirkungspflichten. Damit werden die Grundrechte verletzt!
4. Individuelle Umstände werden nicht berücksichtigt
Fakt: Baulasten, Denkmalschutz-Auflagen, Immissionen, Baumängel oder ein besonders guter Erhaltungszustand: Solche "individuellen öffentlich-rechtlichen Merkmale" sowie "individuellen privatrechtlichen Vereinbarungen und Belastungen" werden bei der Bewertung der Grundstücke nicht berücksichtigt. Damit werden maßgebliche Parameter gleichheitswidrig außer Acht gelassen.
Kritik: Der grundlegende Fehler des Bundesmodells liegt darin, den Grund der Belastung nicht erkennbar zu regeln und zu versuchen, den Wert von Grund und Boden grob zu ermitteln. Doch Immobilienwerte müssen entweder anhand zahlreicher Kriterien genau bewertet oder in einfachen, gleichheitsgerechten Pauschalierungen steuerlich bemessen werden. Das Bundesgesetz wählt aber einen verfassungswidrigen Mittelweg.
5. Steuerlast steht noch gar nicht fest
Fakt: Wie sehr die Grundstückseigentümer tatsächlich belastet werden, steht erst dann fest, wenn die Gemeinden über die Hebesätze entschieden haben. Dann werden die meisten Grundlagenbescheide aber schon bestandskräftig sein.
Kritik: Es droht eine Rechtsschutzlücke! Dennoch ist schon jetzt klar: Die Bewertung nach dem Bundesmodell verursacht strukturell eine mehr als doppelt so hohe finanzielle Belastung der Betroffenen im Vergleich zu den einfacheren Modellen in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen.
Grundsteuerreform: Klagen in Ländern ohne Bundesmodell
Ab dem 1.1.2025 muss die Grundsteuer neu berechnet werden. Fünf Länder haben sich gegen das Bundesmodell entschieden und eigene Gesetze verabschiedet: Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Auch hier gibt es Klagen – das Finanzgericht in Stuttgart hat bereits in den ersten Musterklagen entschieden.
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