Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Da es zivilrechtlich keine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestands gibt und bei der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands zivilrechtlich kein Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft auf einen Neugesellschafter übergeht, scheidet eine Anknüpfung an das Zivilrecht aus. Aus grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht ist maßgeblich, wer hinter dem an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafter steht.
Eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands der grundbesitzenden Personengesellschaft liegt vor, wenn
- ein Mitgliedschaftsrecht an einer Personengesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligt ist, zivilrechtlich wirksam auf ein anderes oder neues Mitglied übergeht,
- eine unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften an der grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligte Kapitalgesellschaft nach § 1 Abs. 2a Satz 3 bis 5 GrEStG fiktiv neue Gesellschafterin der grundbesitzenden Personengesellschaft wird oder
- sie sich aus schuldrechtlichen Bindungen der an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafter ergibt (z. B. Kaufoption oder Vereinbarungstreuhand).
Liegen lediglich schuldrechtliche Bindungen vor, kann für die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnungsentscheidung unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten auf die Grundsätze des wirtschaftlichen Eigentums zurückgegriffen werden. Dieser Rückgriff erlaubt eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des § 1 Abs. 2 GrEStG bei der Zurechnung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften. Entscheidend ist danach, dass über die schuldrechtliche Vereinbarung einem anderen als dem an der grundbesitzenden Personengesellschaft unmittelbar Beteiligten eine Wertteilhabe an den Gesellschaftsgrundstücken vermittelt wird. Dazu müssen folgende Kriterien erfüllt sein:
- Der mittelbar Beteiligte hat aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z. B. Herausgabeanspruch aufgrund einer Kaufoption oder eines Treuhandverhältnisses).
- Die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (z. B. Innehaben des Gewinnstammrechts, Befugnis zur Ausübung der Stimmrechte, Widerspruchs- und Kontrollrechte) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen oder im Sinne des mittelbar Beteiligten auszuüben.
- Das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung (z. B. Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, an einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben sowie dem Liquidationserlös) sind auf den mittelbar Beteiligten übergegangen.
Entscheidend ist das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall. Bei dieser Gesamtbildbetrachtung kann eine vom Zivilrecht abweichende Zurechnung des Anteils auch anzunehmen sein, wenn die vorstehenden Kriterien unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
Berechnung der Beteiligung bei doppelstöckigen Personengesellschaften
Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand von den an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Personengesellschaften werden durch Multiplikation der %-Sätze der Anteile am Gesellschaftsvermögen anteilig berücksichtigt. Folglich ist bei der Ermittlung der Grenze von mindestens 90 % bei mittelbar über eine Personengesellschaft an einer grundbesitzenden Personengesellschaft beteiligten Gesellschaftern auf die jeweiligen Beteiligungsverhältnisse abzustellen und entsprechend durchzurechnen.
Doppelstöckige Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG)
Am Vermögen der Grundstücks-KG sind A zu 50 % und B zu 30 % sowie die X-OHG zu 20 % beteiligt. Gesellschafter der X-OHG sind Y und Z zu gleichen Teilen.
Im Jahr 01 übertragen A und B ihre Beteiligungen an der Grundstücks-KG an die Gesellschafter C und D. Im Jahr 09 (und damit innerhalb von 10 Jahren seit dem ersten Anteilsübergang) veräußert Z seinen Anteil an der X-OHG an W.
Die unmittelbare Übertragung von 80 % der Anteile erreicht zusammen mit der mittelbaren Übertragung von weiteren (20 % x 1/2 =) 10 % die Summe von 90 %. Es liegt folglich ein fiktiver Erwerb des Grundstücks durch eine "neue" Personengesellschaft vor.
Bloße Einräumung einer Vollmacht nicht ausreichend
Die bloße Einräumung einer Vollmacht zur Ausübung der Rechte aus einem Gesellschaftsanteil sowie zur Veräußerung und Abtretung dieses Gesellschaftsanteils reicht, selbst wenn sie unwiderruflich erteilt worden ist, demgegenüber für die Annahme einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands nicht aus. Durch eine derartige Vollmacht sind die wesentlichen Rechte des Gesellschafters (z. B. Stimmrechte und Gewinnstammrecht) nicht auf den Bevollmächtigten übergegangen.