Leitsatz
Für Rechtsstreitigkeiten, die auf ein Informationsfreiheitsgesetz gestützte Auskunftsansprüche des Insolvenzverwalters über Bewegungen auf den Steuerkonten des Insolvenzschuldners betreffen, ist nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Normenkette
§ 33 FGO, § 40 VwGO, § 32e, § 32i Abs. 2 AO, § 17a GVG
Sachverhalt
Der Kläger ist gerichtlich bestellter Insolvenzverwalter. Er begehrte beim FA u.a. Auskunft darüber,
- wann das FA gegen den Insolvenzschuldner erstmals Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hat, die nicht zur sofortigen Befriedigung der zu vollstreckenden Forderungen geführt haben, und
- ob und – wenn ja – wann der Insolvenzschuldner um Stundung, Aussetzung der Vollstreckung oder Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung gebeten hat.
Ferner bat er um Auflistung sämtlicher Zahlungen, die das FA seit erfolglosen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bzw. Anträgen auf Stundung, Aussetzung der Vollstreckung bzw. Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung von dem Schuldner erhalten hat. Der Auskunftsanspruch wurde ausschließlich auf § 1 IFG für das Land Mecklenburg-Vorpommern gestützt.
Das FA lehnte den Auskunftsantrag nach § 32c Abs. 1 Nr. 2 AO ab. Die gewünschten Auskünfte dienten offensichtlich der Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Anfechtungsansprüche nach §§ 129ff. InsO. In der Rechtsbehelfsbelehrung wies das FA darauf hin, dass gegen die Entscheidung Klage beim FG erhoben werden könne.
Der Kläger erhob gegen den Ablehnungsbescheid Klage vor dem FG und beantragte zugleich, den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige VG zu verweisen. Das FG gab diesem Antrag statt (FG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15.7.2019, 3 K 91/19, Haufe-Index 13380475, EFG 2019, 1639).
Entscheidung
Die vom FG nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG zugelassene Beschwerde des FA blieb erfolglos. Der BFH teilte aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen die Auffassung des FG, dass für das Begehren des Klägers nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.
Hinweis
1. Der BFH befasst sich in dem Besprechungsbeschluss mit der Frage des zulässigen Rechtswegs für einen Auskunftsanspruch, der nicht auf die AO, sondern ausschließlich auf die Vorschriften eines Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gestützt wird. Er bestätigt die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung, nach der in solchen Fällen nicht der Finanzrechtsweg, sondern der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (BVerwG, Beschluss vom 17.9.2018, 7 B 6.18, Haufe-Index 12100424; BFH, Beschluss vom 8.1.2013, VII ER‐S 1/12, Haufe-Index 6368965). Der Auskunftsanspruch ist zwar öffentlich-rechtlicher Natur. Er hängt aber nicht mit der Verwaltung von Abgaben i.S.d. § 33 FGO zusammen. Für solche Streitigkeiten ist folglich nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
2. Der Finanzrechtsweg ist auch nicht aufgrund ausdrücklicher Zuweisung gegeben.
a) § 32i Abs. 2 AO bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf Klagen der betroffenen Person hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten gegen Finanzbehörden oder gegen deren Auftragsverarbeiter wegen eines Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Anwendungsbereich der DSGVO. Damit sind ausschließlich Klagen von Personen gemeint, deren Daten nicht in Einklang mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen verarbeitet worden sind, nicht aber Klagen Dritter. Der Insolvenzverwalter, der auf ein IFG gestützte Auskunftsansprüche über Bewegungen auf den Steuerkonten des Insolvenzschuldners geltend macht, ist weder eine betroffene Person i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO noch verfolgt er datenschutzrechtliche Betroffenenrechte aus Art. 12 ff. DSGVO.
b) Aus § 32e AO lässt sich ebenfalls nicht herleiten, dass der Finanzrechtsweg auch für solche Rechtsstreitigkeiten eröffnet ist, in denen der Kläger seinen Auskunftsanspruch auf Vorschriften eines IFG stützt. Die Vorschrift enthält keine Rechtswegzuweisung. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass die Bestimmungen der DSGVO und der §§ 32a bis 32dAO nicht durch IFG des Bundes oder der Länder verdrängt oder umgangen werden können.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 16.6.2020 – II B 65/19