Entscheidung des FG: Insofern wird es auch interessant zu sehen, wie der BFH im Verfahren XI R 6/21 entscheiden wird.[68] In diesem Fall hatte das FA – obwohl das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leistenden bereits eröffnet worden war – die Steuerkorrekturen durch den Insolvenzverwalter anerkannt und die Steuerbeträge an die Masse erstattet. Das FG Düsseldorf, das mit dem Fall in erster Instanz befasst war, lehnte den Reemtsma-Anspruch, den der Leistungsempfänger geltend machte, u.a. mit der Begründung ab, der Fiskus sei nicht mehr um die (unberechtigterweise ausgezahlte) Mehrwertsteuer bereichert.[69]

Befremdlich: Das ist ein kurioses Ergebnis. Mal wird den Steuerpflichtigen im Steuerkorrekturverfahren die Erstattung der Steuer versagt, weil keine Rückzahlung an den Leistungsempfänger erfolgt.[70] Erstattet aber das FA dem Leistenden die Steuer, obwohl – da der Leistende die Beträge nicht an den Leistungsempfänger auszahlt/auszahlen darf – die Voraussetzungen hierfür gar nicht vorliegen (die Erstattung ist also rechtswidrig), soll es sich auf Entreicherung berufen dürfen. Motto: Der Fiskus gewinnt immer.[71]

BFH-Entscheidung ist abzuwarten: Nun bleibt zum einen abzuwarten, worüber der BFH konkret entscheiden wird (der Sachverhalt beinhaltete verschiedene Fragestellungen), zum anderen wann der BFH entscheiden wird (ob er also die Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage des FG Münster vom 27.6.2022 abwarten wird).

[69] FG Düsseldorf v. 4.12.2020 – 1 K 1510/18 AO, juris Rz. 90 ff. Die Entreicherung wäre ohnehin nur dann relevant, wenn die Entrichtung der unberechtigt vereinnahmten Steuerbeträge durch den Leistenden an das FA überhaupt Voraussetzung für den Reemtsma-Anspruch wäre. Das sieht zwar der BFH so; vgl. z.B. BFH v. 11.10.2007 – V R 27/05, juris Rz. 63; BFH v. 10.12.2008 – XI R 57/06, juris Rz. 25 ff.; BFH v. 10.12.2009 – XI R 7/08, juris Rz. 28. Aus Sicht des EuGH muss das nicht zwingend so sein. Immerhin ist auch der Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers nicht davon abhängig, dass der Leistende die vereinnahmten Steuerbeträge an den Fiskus gezahlt hat. Kritisch i.Z.m. den Reemtsma-Ansprüchen vgl. z.B. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c, 199. Lieferung, 5/2022, Rz. 216.1; Englisch, UR 2008, 466 (468); Meyer-Burow/Connemann, UStB 2015, 353, (356); von Streit, EU-UStB 2012, 38 (42).
[71] Überrascht über dieses Ergebnis auch Heinrichshofen, UR 2022, 104 (108).

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