Korrektur vielleicht nur bei Rückzahlung: Der BFH scheint die Regelungen des § 14c Abs. 1 UStG – zumindest für bestimmte Fälle – so auszulegen, dass Steuer i.S.d. § 14c UStG nur dann an den Leistenden erstattet wird, wenn dieser seinerseits dem Leistungsempfänger die entsprechenden Beträge zurückzahlt.[64] Auch der EuGH geht davon aus, dass ein Mitgliedstaat die Erstattung von zu Unrecht erhobenen Steuern davon abhängig machen kann, dass sie nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt.[65]

Dann keine Erstattung: Würde also im oben unter II. dargestellten Sachverhalt eine Erstattung der Steuer an die Lieferanten nur dann erfolgen, wenn sie dem LE die Beträge zurückzahlen, käme es gar nicht zu einer Erstattung, da sie ja dem LE nichts zurückzahlen.

Zumindest Rückgängigmachung: Würden sie ihre Meinung später ändern und dem LE doch (d.h. nach dann durchgeführter Berichtigung der Steuer gem. § 14c UStG und Erstattung der Steuer durch das FA) das Geld zurückzahlen, müsste LE die Beträge, die er aufgrund des Reemtsma-Anspruchs vom FA erhalten hat, an dieses zurückzahlen. Das dürfte sich aus § 37 Abs. 2 AO ergeben (würde sich aber auch aus dem Grundsatz ergeben, dass weder die Steuerpflichtigen noch der Fiskus ungerechtfertigt bereichert sein dürfen).[66]

Keine "Doppelerstattung": Wäre also für die Steuerberichtigung des Leistenden die Rückzahlung an den Leistungsempfänger erforderlich, könnte eine "Doppelerstattung" nicht eintreten. Der Leistungsempfänger bekäme auf jeden Fall sein Geld vom Leistenden zurückgezahlt, wenn dieser eine Steuerkorrektur durchführen würde. Insofern wären bereits die Voraussetzungen für einen Reemtsma-Anspruch nicht erfüllt. Wäre hingegen klar, dass der Leistende die Beträge, die er im Rahmen der Steuerkorrektur vom Fiskus erstattet erhält, nicht an den Leistungsempfänger zurückzahlt, wären die Voraussetzungen für eine Steuerkorrektur nicht erfüllt. Zu einer Doppelerstattung käme es folglich nicht.

Keine (volle) Rückzahlung im Insolvenzfall: Im Fall einer Insolvenz des Leistenden beispielsweise dürfte also das für ihn zuständige FA, wenn er eine Steuerkorrektur durchführt, nach Auffassung des BMF zunächst einmal gar keine Steuern erstatten, da nicht klar ist ob – und ggf. in welchem Umfang – der Leistende die erstatteten Steuern an den Leistungsempfänger zurückzahlt.[67]

[65] EuGH v. 18.6.2009 – C-566/07 – Stadeco, UR 2009, 647 Rz. 48; EuGH v. 10.4.2008 – C-309/06 – Marks & Spencer plc, UR 2008, 592 Rz. 41. Fraglich dürfte allerdings sein, ob das deutsche Recht, also § 14c UStG, eine solche Voraussetzung tatsächlich vorsieht. Die Auslegung des BFH für zu weitgehend haltend Reiß, MwStR 2018, 835 (844); Marchal, MwStR 2018, 835 (841); Haupt, DStR 2018, 1953 (1956); von Streit/Streit, UR 2021, 689 (691); Streit, Steuerschuld durch Steuerausweis, 2017, S. 266.
[66] Wobei LE, wenn er sein Geld im Wege des Reemtsma-Anspruchs vom FA erstattet bekommen hat, wohl kaum noch einmal eine Zahlung von den Lieferanten verlangen würde. Es wäre auch nicht ersichtlich, warum diese – nachdem sie die Einrede der Verjährung geltend gemacht haben – hiervon wieder abrücken sollten. Wenn sie dies täten, wäre allerdings ohnehin fraglich, ob der LE verpflichtet wäre, eine solche Zahlung anzunehmen ("aufgedrängte Bereicherung").
[67] Vgl. auch BFH v. 5.1.2021 – XI S 20/20 (PKH), juris Rz. 15 ff.; so auch die Vorinstanz FG Münster v. 8.10.2020 – 5 K 20/17 U, juris Rz. 27. Lt. dem oben unter I.3. genannten Schreiben des BMF kann daher über einen geltend gemachten Reemtsma-Anspruch erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens entschieden werden; BMF v. 12.4.2022 – III C 2 - S 7358/20/10001 :004, UR 2022, 437 Rz. 12. Erst wenn feststeht, wie viel der Leistende im "Steuerkorrekturverfahren" erstattet bekommt, kann der Leistungsempfänger den "Rest" im "Reemtsma-Verfahren" geltend machen. Das kann zu enormen zeitlichen Verzögerungen führen; vgl. von Streit/Streit, MwStR 2022, 340 (342). Insofern könnte in diesen Fällen z.B. über Vorauszahlungen (ggf. gegen Sicherheiten) nachgedacht werden. Meyer-Burow/Connemann, UStB 2015, 353 (358), bejahen ohnehin die Erstattungspflicht des Fiskus ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

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